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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose
Autoren: Inge Scholl
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ins Gefängnis in Stadelheim, wo ich erstmals mit den Eltern des Geschwisterpaares Scholl zusammentraf. Als ich auf dem Weg zu Sophie Scholl über den Flur des Gefängnisses ging, kam ich zufällig an Hans Scholl vorbei, der von einem Wärter vom Besuchszimmer vermutlich in seine Zelle geführt wurde. Ungeachtet der Aufsicht kam Hans Scholl auf mich zugelaufen, schüttelte mir die Hand mit den Worten, er habe gerade seinen Eltern aufgetragen, mir den Dank dafür auszusprechen, weil ich seine Schwester so gut behandelt habe, er sei nun froh darüber, diesen Dank persönlich abstatten zu können. Ich war darüber derart gerührt, daß ich kein Wort sagen konnte. Es sei denn, daß ich noch die Worte hervorbrachte: »Seien Sie auch jetzt stark.«
    Sophie Scholl traf ich in der Wärterinnen-Zelle, wohin man sie nach dem Besuch ihrer Eltern gebracht hatte, erstmals seit ich mit ihr in Berührung kam, weinend. Sie entschuldigte sich ihrer Tränen, indem sie mir mitteilte: »Ich habe mich gerade von meinen Eltern verabschiedet und Sie werden begreifen.« Wie mir um diese Stunde selbst zumute war, kann man aus dem Zusammenhang ermessen.
    Nach einigen Worten des Trostes habe ich mich von Sophie Scholl verabschiedet. Ich kann nur wiederholen, daß dieses Mädel, wie auch ihr Bruder, eine Haltung bewahrt hat, die sich nur durch Charakterstärke, ausgeprägte Geschwisterliebe und eine seltene Tiefgläubigkeit erklären läßt. Wie mir aus der Vernehmung erinnerlich, befaßten sich Sophie und auch Hans Scholl neben ihrem Studium eingehend mit Religions-Philosophie, ja ich hatte den Eindruck, daß sie in religiöser Hinsicht eigene Wege gingen. Wie dem auch sei, jedenfalls waren sie tiefgläubig.
    Meinem früheren Bericht habe ich nachzutragen, daß wenige Tage nach der Verurteilung der Geschwister Scholl und Christoph Probst von Berlin aus die sogenannte »Sippenstrafe« [Sippenhaft] verfügt wurde. Eine derartige Maßnahme war uns bis dahin völlig fremd. Nach dieser Anordnung sollten die nächsten Angehörigen der Verurteilten in Schutzhaft genommen und ohne Ansehung der Person in ein KZ eingeliefert werden. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß wir alle über diese willkürliche, durch kein Gesetz gerechtfertigte Maßnahme entsetzt waren. Im Zuge dieser Anordnung wurden auch die Eltern Scholl in Ulm festgenommen …
    So begab ich mich in das Gefängnis in Ulm, wo ich mir Robert Scholl zur Vernehmung vorführen ließ. Daß Herr Scholl – Vater – von den Vorgängen in München keine Ahnung hatte, habe ich bei meiner Vernehmung als gegeben unterstellt. Deshalb brauchte ich darauf überhaupt nicht einzugehen. Mir kam es lediglich, wie im Falle Sophie Scholl, auf eine Erklärung an, die darin gipfelte, daß Robert Scholl gesinnungsmäßig und nach seiner politischen Überzeugung mit dem Hochverratsfall nicht das mindeste zu tun haben kann. Meine Bemühungen in dieser Richtung schlugen fehl, denn Robert Scholl bewahrte mir gegenüber eine Haltung, die derjenigen seiner beiden Kinder in jeder Hinsicht gerecht wurde. Hätte ich das zu Papier gebracht, was mir der Vater Scholl als politische Meinung und Perspektive für die Zukunft unverblümt zum Ausdruck brachte, dann mußte mein Vorhaben zwangsläufig in das Gegenteil von dem umschlagen, was mir als Ziel meiner Aktion vorschwebte. Man hätte auch Robert Scholl den Prozeß gemacht und auch verurteilt. Mindestens aber hätte er als KZ -Häftling das schlimmste befürchten müssen. Ich habe bei dieser Sachlage bedauert, in dieser Angelegenheit zu keinem Erfolg gekommen zu sein. So mußten wir uns auf die Feststellung beschränken, daß nach dem Ergebnis der angestellten Ermittlungen die Eheleute Scholl, wie auch deren Tochter Inge, mit dem Hochverratsfall Scholl nicht das mindeste zu tun hatten. Dies allein reichte jedoch nicht aus, die Aufhebung der bereits verfügten Schutzhaft zu betreiben. …
     
    19 .  2 .  1951

Helmut Fietz, ehemals Obermelker in Penzberg, politischer Häftling im Gestapo-Gefängnis Wittelsbacher Palais, Zellengenosse von Hans Scholl während seiner Haft vom 18 . bis 22 .  2 .  1943
    Wahrscheinlich wollten sie Hans nicht alleine lassen, wegen Flucht- oder Selbstmordversuch. Selbstmord wäre ihnen unangenehm gewesen, denn sie wollten aus Hans noch viel herauspressen und das ganze »Nest ausheben«. Da haben sie sich gründlich getäuscht. Hans und fliehen! Das hätte bedeutet, seine Freunde im Stich lassen und sie einem dunklen Schicksal
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