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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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läßt sie auf Vordermann bringen.“ John nickte.
    Die Rechnung der beiden Starverkäufer war einfach: Kaufpreis pro Auto 3 000 Mark plus jeweils etwa 7 000 Mark „Nebenkosten“ gleich 10 000 Mark, Verkaufspreis in Nigeria 10 000 Naira, damals 20 000
    Mark. Aus eins mach zwei. Aber das war eine Rechnung mit verflixt vielen Unbekannten. Denn mit dem Ausfall eines Wagens standen nicht 3 000 Mark auf dem Spiel, sondern 10 000. In drei Monaten sind die Autos verkauft, machte mein Vater mir Mut. Und mit dem Gewinn wird dann richtig groß ins Autogeschäft eingestiegen. Dem künftigen Leben als Millionär stand nichts mehr im Weg...
    Die Wagen wurden verschifft, und dann herrschte Funkstille an der Autofront. Wir konnten nur hoffen, daß die Vehikel ihr Ziel heil erreichten. Die Bank meines Vaters hoffte mit: Sie hatte insgesamt 50 000 Mark für den Autohandel vorfinanziert. Die Spedition, die die Wagen nach Afrika verschiffte, hatte meinen Vater Wechsel unterschreiben lassen, die drei Monate später zur Zahlung fällig waren. Hier lauerten weitere 25 000 Mark.
    Dann kam das Telegramm aus Nigeria: Johns Bruder Moses, der unerläßliche Helfer beim Autohandel vor Ort, hege im Sterben john müsse sofort kommen. Und weg war er. Mit weiteren 25000 Mark, die die Bank uns lieh, um die Autos sicher aus dem Zoll zu bekommen und herrichten zu lassen.
    Ursprünglich hatte ich mit diesem unsinnigen Autohandel nichts zu tun. Trotzdem machte ich ihn mit jedem Tag des Wartens mehr zu meiner Angelegenheit. Ich fühlte mich für Johns Tun verantwortlich.
    Jeder Schritt, den Vater mit hängenden Schultern schlurfte, drückte auf meine schuldbeladene Seele. Wenn sich die Autos nicht verkaufen ließen, wären wir ruiniert gewesen.
    Von John kam keine Nachricht. Anrufen konnten wir nicht - er war abgereist, ohne eine Telefonnummer dazulassen. Was wir hatten, war ein Zettel, auf den er ein paar Worte gekritzelt hatte - die Adresse seines Vetters irgendwo in Lagos. Ich schickte ein Telegramm an den Vetter: John, ruf sofort an! „Sofort“ ist in Afrika ein sehr relativer Begriff. In diesem Fall bedeutete er zwei Wochen, in denen ich bangte und kaum noch schlief. Eines Nachts um eins schrillte das Telefon. Durch das Rauschen der Leitung drang Johns Stimme - von ganz weit her.
    „Hi Hello? Ilona? Hier ist John!“
    „O Gott, John! Wo bist du? Bist du okay?“
    „Ja, ja. Geht es den Kindern gut?“
    „Ja, alles okay. Was ist mit den Autos? Hast du sie verkauft?“
    „Die Autos? Was soll mit den Autos sein?“
    „John! Sind sie verkauft?“
    „Die stehen im Zollhafen.“ Dabei mußte mein Vater eine Woche später 75 000 Mark zurückzahlen! „Ilona, es gibt ein Problem mit den Autos.“
    Ich war der Ohnmacht nahe. „Was ist mit deinem Vetter beim Zoll?“
    „Er ist nicht mehr beim Zoll. Ich brauche noch Geld, um die Autos aus dem Zoll zu bekommen.“
    „Du hast doch 25 000 Mark mitgenommen!“
    „Ilona, mein Bruder Moses ist sehr krank. Ich muß den Medizinmann bezahlen. Sag deinem Vater, er muß noch Geld schicken.“
    „Er hat keins mehr!“
    „Du brauchst Geld, um Geld zu verdienen, Ilona.“
    „Wieviel denn noch?“
    „Ich glaube, 10 000 Mark werden reichen. Aber vielleicht wären 20
    000 besser.“
    „John, willst du Autos verkaufen oder Medizinmänner reich machen?“
    „Ilona, bitte reg dich nicht auf. Zwei Autos sind beim Ausladen beschädigt worden. Sie müssen repariert werden.“
    Die Leitung brach zusammen. Und ich auch. Ich sank einfach zu Boden. Als meine Mutter nachts um drei aufstand, um sich aus der Küche etwas zu trinken zu holen, fand sie mich so vor. Nein, geheult habe ich eigentlich nicht, jedenfalls nicht bewußt, nur geschrien, leise in mich hinein. Auf dem Weg nach draußen müssen wohl Tränen daraus geworden sein. Man kann ja nachts um eins nicht vor Wut losbrüllen. Ich hätte die Kinder geweckt.
    Autos sind zum Fahren da. Und die Beziehung zu einem Mann setzt Vertrauen voraus. Das ist meine Überzeugung bis heute. Obwohl ich gegen beide Ansichten verstieß, war im März 1981 klar: Ich fliege nach Nigeria, um die Sache in Ordnung zu bringen. Denn ich habe noch ein Prinzip: Ich lasse niemanden im Stich, schon gar nicht meinen Vater, so gespannt das Verhältnis zu ihm auch war.
    Aber auch Papa war ein Dickkopf. „Ilona, du fährst nicht allein nach Afrika! Es geht schließlich um mein Geld, das John da unten aus dem Fenster schmeißt. Ich komme mit.“
    „Aber du sprichst kein Wort Englisch!“
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