Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe
Autoren: Ilona Maria Hilliges
Vom Netzwerk:
Afrikareise verpaßt.
    „Ich glaube, er liegt zu Hause auf dem Bett. Der war doch in dem großen Koffer, und den hab' ich noch mal umgepackt.“ Nun wußte er's wieder.
    Der Gesundheitsbeamte fertigte mich ab. Man sah es ihm richtig an, wie er sich auf den korpulenten reichen Weißen freute, der nichts vorzuweisen hatte. Es dauerte keine fünf Minuten, und Vater hatte weniger zu tragen. Ein vergessener Impfpaß? Macht einen halben Koffer voll vergoldetem Quelle-Nippeszeugs, das unter dem riesigen Tresen des hilfreichen Beamten verschwand.

    Wir holten die Koffer vom Gepäckband. Lauter freundliche Nigerianer boten ihre Hilfe an. Papa schwitzte. Wenigstens von seinem Schrumpfhut trennte er sich endlich. Ein Sechsjähriger freute sich darüber- so klein war das Filz-Gamsbart-Hütchen inzwischen.
    Ab zum Zoll. In den vielen großen Koffern ist wirklich nur Privates?
    Aufmachen! Mit zwei großen Ballen österreichischer Stickerei waren wir angekommen. Nach dem Zoll war es nur noch einer. Für den anderen und den dicken Brokatstoffballen mußten wir trotzdem Zoll zahlen. Natürlich ohne Quittung!
    Doch so schnell wollte ich mir meine gute Laune nicht vermiesen lassen. Von allen Seiten drangen Stimmen auf uns ein. Jeder zweite war Taxifahrer, jeder dritte bot uns Geld zum Schwarzumtausch an, einige wollten Hotelbetten loswerden, manche Uhren und Schnitzereien, die ich fasziniert bestaunte. Während Papa motzte, sah ich in die freundlichen Gesichter, die mich anlachten. Das war also Afrika - ein quirliger Mix aus fröhlichen Menschen, die sich über unsere Ankunft freuten.
    Ich erkannte John erst auf den zweiten Blick. Keine weiten Schlaghosen, kein Hemd aus falscher Seide. Nein, das war ein Herr aus Afrika. Mit seinem dreiviertellangen bunten Hemd und dazu passender Hose strahlte er Würde und Selbstbewußtsein aus, verteilte Nairas an Helfer, die die Koffer zum Parkplatz schleppten.
    Sogar mein Vater war von diesem Auftritt beeindruckt. Leider hielt sein Respekt nur an, bis John unsere Karawane vor dem Auto anhielt, das zu unserem Transport vorgesehen war. Vater sah sich um, ob vielleicht noch ein weiterer Wagen eingeplant war. Nein, der da war's: ein blauer VW Käfer. Nicht unbedingt das richtige Beförderungsmittel für Vaters zweieinhalb Zentner, die großen Koffer und mich. Wenigstens fehlte der Beifahrersitz - fürs Gepäck.
    Wir kamen nach hinten, die großen Koffer nach vorn.
    Auf der Fahrt zog ich den Kopf ängstlich immer tiefer zwischen die Schultern und spähte sorgenvoll an den Koffern vorbei nach draußen, während John sich unerschrocken einen Weg durch das nächtliche Chaos aus rasenden gelben Riesenbussen, überladenen Minibussen und stinkenden Lastwagen bahnte. Alles, was an Fenstern zu öffnen war, stand offen. Viel war das nicht - alte Käfer hatten nun mal hinten keine Fenster, die man öffnen konnte. Ich schwitzte mit Vater um die Wette, die Klamotten klebten, der Kopf brummte. So heiß konnte es doch nicht mal in Afrika sein! Hier stimmte irgendwas nicht! Und dieser Gestank!
    „John, machst du bitte die Heizung aus? Es ist verdammt heiß hier drin.“
    Die Autos, die an uns vorbeifuhren, hupten. Ich warfeinen Blick nach hinten aus dem Fenster. Hinter uns war Nebel. Nebel?
    Quatsch! Das war Qualm! Und der Gestank - das war nicht Afrika, das war Wolfsburg! „John, halt an, das Auto brennt!“
    Vielleicht hätte ich nicht so brüllen sollen. John verriß das Lenkrad, der Käfer schlingerte, Vater und ich knallten mit den Köpfen gegeneinander. Lautes Gehupe, Bremsen quietschten. Irgendwann stand der Wagen auf dem Seitenstreifen der Autobahn. Raus, nichts wie raus. Vorne die ganzen Koffer, schwere Dinger john mühte sich.
    Und das dauerte. Dann versuchte Papa rauszukrabbeln. Ich schob und drückte von hinten, John zerrte von vorn. Schließlich standen wir auf der Straße. Gestrandete in der Nacht, inmitten ihrer Habseligkeiten.
    Erstaunlicherweise hatte John urplötzlich einen Feuerlöscher zur Hand, krabbelte in den Wagen hinein, es qualmte und zischte.
    Hustend und prustend tauchte John aus dem Auto auf, schmiß das verkokelte Sitzpolster auf die Straße und murmelte was von durchgeschmorter Batterie.
    Bevor wir's uns versahen, fuchtelte John mit den Armen in der Luft herum, ein Taxi hielt (ging hier, trotz Autobahn), John rief: „Paßt aufs Gepäck auf!“ - und war verschwunden.
    Meine erste Nacht in Afrika, und ich stand mit meinem schimpfenden Vater zwei Stunden lang an der Autobahn, zitternd
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher