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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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in einer mir unverständlichen Sprache vor sich hin murmelte. Ich nehme an, daß sie die Puppen „besprach“. Sie stellte die Figürchen auf ihren Altar, von wo aus sie dem folgenden zusehen durften.
    Ich sollte mich entkleiden, während noch mehr Wasser hereingeschleppt wurde, das intensiv nach Kräutern duftete. Die Mädchen gossen es aus Kalebassen über mich. Mammy Ama gab unterdessen fortwährend einen monotonen Singsang von sich. Die Mädchen flochten meine Haare'in kleine Zöpfe und bemalten meine Hände und mein Gesicht mit weißer Farbe. Von den Schultern abwärts wurde ich in ein schlichtes weißes Tuch gewickelt. Männer mit Trommeln erschienen. Sie setzten sich an die Wand und begannen, langsam und rhythmisch zu schlagen. Der Raum füllte sich mit immer mehr Menschen. Mir wurde eine bittere Ewo-Nuß gegeben, die ich sorgsam zu zerkauen und einzuspeicheln hatte, bevor ich sie mit Wasser hinunterschluckte.
    Eine der jungen Frauen begann zu tanzen, der Takt wurde allmählich schneller. Mammy Ama schob mich sanft in die Mitte des Raums. Ich spürte, wie der Rhythmus meinen Pulsschlag beschleunigte. Mehrere Frauen schlossen sich der ersten Tänzerin und mir
    an. Mammy Ama hatte sich mit einigen älteren Frauen vor ihrem Altar niedergehockt und sah uns zu. Ein zufriedener Ausdruck lag in ihrem Gesicht. Ich hatte das Gefühl, daß meine eigene Mutter meinem - sicherlich recht ungelenken -Tanz wohlwollend zusah.
    Mammys Augen schienen zu sagen: Gut machst du das, Ilona, weiter so.
    Meine Bewegungen wurden immer ausschweifender. Ich ruderte mit den Armen, warf den Kopf mal auf die Brust, mal in den Nacken, trippelte mal mit kleinen Schritten auf der Stelle, mal schritt ich weit aus. Ich schien den Raum für mich allein zu beanspruchen. Fast alle anderen Tänzerinnen setzten sich, klatschten zum Rhythmus der Trommel.
    Schließlich blieb nur noch ein anderes Mädchen übrig, dessen zarter nackter Körper und Gesicht ebenfalls mit weißer Kaolin-Farbe eingestrichen waren. Sie warf sich auf den Boden, fauchte mich an, kratzte mit den Händen im weichen Sandboden. Sie war geschmeidig wie eine Katze, die mich belauerte, darauf zu warten schien, mich anzufallen. Ich bückte mich, kratzte selbst Sand vom Boden und warf ihn nach dem Leoparden, der mich fauchend umkreiste. Ich trat nach dem gefleckten Tier, schrie und spuckte.
    Und ich tanzte. Zwar hatte ich die Kontrolle über mich nicht verloren, aber ich tanzte in einer Art, die ich von mir nicht kannte.
    Das war zweifellos eine erheblich veränderte Ilona, die da über den Sand tobte. Aber es war immer noch ich.
    Der Leopard blieb schließlich schwer atmend liegen und wurde weggetragen. Der rasende Trommelwirbel schien mich durch den Raum zu schleudern, bis ich nichts mehr um mich herum erkannte.
    Ich fühlte mich leicht, frei, schwerelos. Glücklich. Ich drehte mich, bis mir schwindlig wurde. Ich stolperte, wankte, versuchte den Takt wiederaufzunehmen, stolperte erneut. Was um mich herum geschah, war wie weggefegt, statt dessen schien ich im Zentrum eines Wirbels aus hellem Licht zu tanzen. Meine Füße schafften es nicht mehr, die rasende Geschwindigkeit meines Körpers zu transportieren. Ich schien geradezu abzuheben, sah für einen kurzen Augenblick auf mich herunter. Und lachte! Was macht die da unten, diese Weiße? Tanzt wie eine Verrückte ...
    Irgendwann, als draußen der Sand des Vorplatzes schon wieder im hellen Sonnenlicht lag, kam ich wieder zu mir. Ich dämmerte auf ein paar Kissen in der Ecke, verspürte nicht die geringste Lust aufzustehen. So blieb ich lange liegen, bis ich Hunger bekam. Die beiden Frauen, die auf mich aufpaßten und dabei monoton auf Trommeln schlugen und unverständliche Töne von sich gaben, schickten nach Mammy Ama, die als einzige Pidgin-Englisch sprach. Mammy gab mir Wasser zu trinken, aber kein Essen. Ich sollte ruhen, aber nicht schlafen.
    Es muß später Nachmittag gewesen sein, als man mir wieder die Waschungen angedeihen ließ, denen ein erneuter Tanz folgte, bei dem ich diesmal allerdings nicht in Trance geriet. Müdigkeit und Schwäche schienen stärker zu werden. Nach einer Weile wurde der Rhythmus langsamer. Ich spürte die starke Hand von Mammy, die mich aus dem Tempel herausführte und in den Hof brachte. Die Trommeln folgten uns. Umgeben von Mammys jungen Schülerinnen, ging ich an ihrer Seite durchs Dorf. Es war Nacht geworden.
    Irgendwann standen wir am Fluß. Er war dunkel und schön. Das helle Licht des Mondes
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