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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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Wüstenwind Harmattan, zog auf.
    „Der Sand ...“, murmelte Mila. Ich warf ihr einen Seitenblick zu. Was meinte sie? „Der Sturm aus der Sahara, er bringt den Sand. Du hast ihn ausgesucht, sister, damit dein Gegner im Sand liegt ...“
    Sie wirkte entrückt. Ich hupte ununterbrochen, überholte links und rechts. Der Verkehr und die schlechten Sichtverhältnisse beanspruchten meine Konzentration auf das Äußerste. Mila begann unterdessen vor sich hin zu murmeln. Ich verstand nichts von ihrem Singsang. Aber ich bekam mit, daß sie in der großen Tasche herumwerkelte, die sie, unter ihrem Wrapper verborgen, stets mit sich trug. Schließlich holte sie eine Glasscherbe und einen spitzen Zahn hervor.
    „Spuck darauf, sisterl“ Sie hielt mir beides vor den Mund, und ich spuckte. Mila band Scherbe und Zahn mit einem Lederband zusammen und murmelte weiter vor sich. „Er wird da sein, sister. Er wird da sein. Du mußt jetzt sehr stark sein.“
    Eine Stunde, 15 Minuten. Das war Rekord. Abiolas alter Mercedes brauste in den Hof. Nein, er war nicht da! Sunnys BMW stand nicht wie üblich protzig breit im Hof. Ich atmete auf. Mila wartete im Wagen. Ich raste zum Haus, schob den verdutzten Hausboy zur Seite. „Ist Chief Sunny da?“ „Nein, Ma'am.“
    Ungehindert erreichte ich den Safe in der Bibliothek. Links, rechts, rechts ... ich drehte wie ein Champion an dem Zahlenrädchen, riß die schwere Tür auf und grapschte mir den bereitliegenden Paß.
    Nichts wie raus. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Eine Minute war vergangen. Ich hastete gerade die Stufen zum Wagen hinunter, als Sunnys BMW einbog. Und mitten in der Einfahrt stehenblieb. Breit und dick. Keine Fluchtmöglichkeit. Sunny wälzte seine Kilos aus dem Wagen.
    Ich warf einen hilfesuchenden Blick zu Mila. Sie bedeutete mir, cool zu bleiben.
    „Was tun Sie hier, Ilona“, quetschte Sunny wütend hervor, „Sie sind gekommen, um mich zu bestehlen, nicht wahr?“
    Ich zog den Paß aus meiner Handtasche und zeigte ihn ihm. „Der Paß, ich brauche ihn.“
    „Wofür? Wollen Sie verreisen? Etwa ins Ausland? Sie sind meine Angestellte. Warum fragen Sie nicht, ob Sie ins Ausland dürfen?“
    Seine Wut ließ den kleinen dicken Mann schwitzen. Während Sunny mich anschrie, verließ Mila Abiolas Wagen und ging die zwei, drei Meter bis zu Sunnys BMW. Niemand beachtete sie. Sie beugte sich blitzschnell in das geöffnete Fenster des BMW hinein und zog sich rasch wieder zu Abiolas Auto zurück.
    Sunny schubste mich ins Haus. „Sie haben Ihre Stellung mißbraucht!“ schrie er los. „Sie haben Projekte abgeschlossen, die ich weiterführen wollte. Sie haben Geld auf Kontos umgebucht, die Akpoviroro nicht kennt. Sie können jetzt nicht verschwinden. Sie bleiben hier!“
    Das Zittern, das mich erfaßt hatte, ließ meine Beine schlottern, der Schweiß brach mir aus allen Poren. Das verdammte Orakel! Es hatte doch recht gehabt. Dabei war ich schon am Flughafen gewesen! Meine eigene Schusseligkeit hatte mich zu Sunny geführt, dem ich fast entkommen war. Ich setzte mich auf Victors Lieblingssofa und preßte meine Handtasche als Schutz vor meinen Bauch.
    „Chief Sunny“, sagte ich so ruhig wie möglich, um meine Todesangst zu verbergen, „Akpoviroro ist nicht besonders geübt in Buchhaltung und Finanzen. Ich habe kein Geld veruntreut. Ihr Sohn ist nur nicht in der Lage, die Geschäftsbücher und Kontoauszüge richtig zu lesen.“
    Diese letzten Worte hatte Akpoviroro leider gehört. Ich hatte nicht einmal gewußt, daß der ungeratene Sohn überhaupt im Haus war.
    „Sie ist eine Betrügerin!“ kreischte er.
    Durch das dünne Leder meiner Handtasche spürte ich das kleine Säckchen mit Sand, das Mammy Ama mir gegeben hatte. Ich öffnete es in der Tasche, hielt es wie meinen letzten Trumpf in der Hand. Ich saß in der Falle. Mit sachlicher Argumentation konnte ich nichts mehr erreichen. Meine Position war denkbar schlecht. Was konnte ich tun? Sollte ich mich fertigmachen lassen? Sunny den endgültigen Sieg ermöglichen? Ich straffte meine Schultern und ging zum Gegenangriff über. Mit triefend nassen Achselhöhlen.
    „Sie lieben die Jagd mit dem Falken, nicht wahr, Chief Sunny? Und einen Falken kann man so abrichten, daß er ein Pferd angreift. Ist das richtig?“ fragte ich ganz ruhig.
    Damit hatte er nicht gerechnet. Er nahm sogar die Sonnenbrille ab, um mich anzuglotzen. „Wie kommen Sie darauf?“
    „Ich kenne den Leoparden. Er jagt klug, aber heimtückisch. Er schleicht sich in
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