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Die Weisheit des friedvollen Kriegers

Die Weisheit des friedvollen Kriegers

Titel: Die Weisheit des friedvollen Kriegers
Autoren: Dan Millman
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Welten. Innerhalb dieser Realität bewegt sich Socrates offenbar ähnlich frei wie die Schamanen der Senoi aus Malaysia, für die der Traum genauso wirklich ist wie das Leben im Wachzustand (wenn nicht noch realer). Allmorgendlich bitten sie ihre
Kinder, von ihren Träumen zu erzählen und quittieren die Berichte meistens mit »Ein guter Traum!«.
    Die meisten von uns kennen diese Déjà-vu-Erlebnisse, wenn wir das Gefühl haben, jemanden schon zu kennen, dem wir noch nie begegnet sind. Und manche träumen Dinge, die später dann tatsächlich eintreten. Viele erinnern sich kaum an ihre Träume, messen ihnen keine größere Bedeutung zu oder glauben sogar, überhaupt nicht zu träumen. In Wirklichkeit hat aber jeder von uns ein reichhaltiges Traumleben. Zugang dazu können wir finden, wenn wir bereit sind, mitten in der Nacht aufzuwachen und uns Notizen zu machen. Mitunter haben unsere Träume verborgene oder symbolische Bedeutung, aber manchmal besteht die Botschaft auch bloß darin, dass wir vor dem Schlafengehen zu viel Pizza gegessen haben.
    Jedenfalls haben mir meine Erlebnisse mit Socrates zu größerer Klarheit über das Reich der Träume und des Unbewussten verholfen. Er war in beiden Welten zu Hause, während ich damals noch in keiner ganz aufgewacht war.
    Ein lebendes Beispiel
    Etliche waren in Party-Stimmung. Sie ließen ihr Radio dröhnen, während wir sie bedienten. Socrates störte das alles nicht. Er lachte und plauderte mit den Leuten. Andere waren schlechter Laune und gaben sich besondere Mühe, unfreundlich zu sein. Aber jeden behandelte er mit derselben Höflichkeit, als ob er sein persönlicher Gast wäre.«

    Der amerikanische Schriftsteller James Baldwin hat einmal geschrieben: »Kinder hören selten auf das, was die Eltern sagen; ganz sicher aber ahmen sie sie nach.« Für Erwachsene gilt genau dasselbe. Im Laufe der Zeit bekam ich mit, wie Socrates aß, wie er sich bewegte und wie er atmete. Aus seinem ganz einfachen Umgang mit anderen lernte ich mehr, als er mir mit Worten je hätte beibringen können. Alle seine Kunden, ob jung oder alt, behandelte er mit der Höflichkeit und dem Respekt, den er auch einem Ehrengast entgegengebracht hätte.
    Natürlich gab es Ausnahmen, und auch darüber berichte ich in dem Buch. Dann spielte Socrates den Exzentriker. Aber selbst unter diesen Umständen handelte er immer ganz bewusst und überlegt – es war Teil seiner paradoxen Lehrmethode, von der nicht nur ich profitierte.
    Wie anders könnte unser Leben doch sein, wenn uns stets bewusst wäre, dass in jedem Menschen, dem wir begegnen – egal, wie sehr uns seine Persönlichkeit im Moment vielleicht auch irritieren mag –, die Buddha-Natur, das Licht Jesu Christi zum Ausdruck kommt.
    Was Socrates mich ohne Worte lehrte, erinnert mich an etwas, das der große Humanist und Arzt Albert Schweitzer einmal sagte: »Das eigene Beispiel ist nicht das Wesentliche im Umgang mit anderen. Es ist das Einzige, was zählt.«
    Praktische Weisheit: Schüler und Lehrer
    »Du hast mir noch immer nicht gesagt, wie wir uns gegenseitig behilflich sein können.«
    »Sehr einfach«, sagte er. »Ich hätte ganz gerne noch ein letztes Mal einen Schüler. Und du – das sieht doch jeder – brauchst dringend einen Lehrer.«
    »Oh, Lehrer habe ich genug«, protestierte ich, ein wenig vorschnell.
    »Wirklich?« Er sah mich an. »Aber ob du den richtigen Lehrer hast oder nicht, das hängt davon ab, was du lernen willst.«
     
     
    Socrates war keineswegs anti-intellektuell. Er hatte durchaus einen gewissen Respekt vor akademischen Zeugnissen. Allerdings überbewertete er sie nicht. Ihm war klar, dass ein Universitätsabschluss auch seine Grenzen hat. Eines Tages kam er mir mit einem seiner Bonmots (davon hatte er so ziemlich zu jedem Thema eins auf Lager): »Ein Experte ist jemand, der mehr und mehr Wissen über weniger und weniger anhäuft, bis er schließlich alles über gar nichts weiß.«
    Höhere akademische Weihen setzen in der Regel viele Jahre intensiven Studierens voraus. Das heißt, jemand hat viel Hirnschmalz aufgebracht und strenge Initiationsrituale über sich ergehen lassen, um in die Welt des Intellekts aufgenommen zu werden. Ein solches Studium ist eine echte Leistung und aller Ehren wert. Socrates zögerte jedoch nie, auf den Unterschied zwischen begrifflichem Wissen und praktischer Weisheit hinzuweisen.
    So erzählte er mir einmal die Geschichte von einem jungen indischen Gelehrten, der sich von einem
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