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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle
Autoren: Nikola Hahn
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Handfunkgerät und stieg aus.
    Maria Westhoff wohnte in einer Zweizimmerwohnung unterm Dach. Sie war eine grauhaarige Dame und trug ein elegantes Kostüm. Ihr faltiges Gesicht war dezent geschminkt; ihre geschwollenen Füße steckten in Filzpantoffeln. „Bin ich froh, dass Sie endlich da sind“, flüsterte sie. „Sie sind zurückgekommen.“
    „Alle?“, fragte Uli.
    „Alle!“ Sie sah Dagmar an. „Wer sind Sie, bitte?“
    „Frau Kommissarin Streibel wird die Sache überwachen“, sagte Uli.
    „Sie sind eine richtige Kommissarin? Wie die im Fernsehen? Aber warum haben Sie dann eine Uniform an?“
    „Weil ich keine Kriminalkommissarin, sondern eine Polizeikommissarin bin“, sagte Dagmar.
    Maria Westhoff wandte sich an Uli. „Heißt das etwa, dass die ganzen Kommissare vom Tatort gar nicht von der Polizei sind?“
    „Doch, doch“, beruhigte er sie. „Aber sollten wir uns nicht um Ihre Gäste kümmern?“
    Maria Westhoff sah ängstlich zur geschlossenen Wohnzimmertür. „Diesmal sind sie durchs Dach gekommen.“
    „Mhm“, sagte Uli. „Haben Sie das Werkzeug parat?“
    Maria Westhoff nickte und verschwand in der Küche.
    „Könnt ihr mir verraten, was das hier werden soll?“, fragte Dagmar ungehalten.
    Uli legte einen Zeigefinger auf den Mund.
    Maria Westhoff kam mit einer Blechschüssel und einem Kochlöffel zurück. „Geht es auch damit?“, fragte sie leise. „Die Töpfe sind nicht gespült.“
    Uli nahm die Schüssel und den Löffel und betrachtete beides eingehend von allen Seiten. Er sah Klaus an. „Was meinst du, Kollege?“
    „Ich denke schon“, sagte Klaus.
    „Also gut. Wenn ich sie zusammengetrieben habe, gibst du den Eliminationsbefehl!“
    Klaus nahm das Funkgerät aus seinem Anorak. Uli schlich zur Wohnzimmertür, öffnete sie einen Spalt und fing an, mit dem Löffel im Dreivierteltakt auf die Schüssel zu schlagen. Maria Westhoff hielt sich jammernd die Ohren zu.
    „Jetzt!“, rief Uli.
    Klaus hantierte am Funkgerät und zählte laut bis zehn. Uli ging ins Wohnzimmer und stellte das Fenster auf Kippe.
    Maria Westhoff strahlte. „Sie sind weg! Alle weg!“
    Uli gab ihr die Schüssel und den Kochlöffel zurück. Klaus steckte das Funkgerät ein. „Vergessen Sie nicht, das Fenster nach genau zwölf Minuten wieder zu schließen“, sagte er.
    Maria Westhoff nickte eifrig. „Ihre Männer sind wirklich unschlagbar, Frau Kommissarin!“, sagte sie zu Dagmar.
    Dagmar bekam einen roten Kopf. Klaus hatte Mühe, sich das Lachen zu verbeißen. Maria Westhoff begleitete sie zur Tür und verabschiedete sie mit einem überschwänglichen Dankeschön.
    „Wenn ihr es lustig findet, alte Menschen auf den Arm zu nehmen, ist das eure Sache. Ich mache da jedenfalls nicht mit!“, sagte Dagmar, als sie die Treppe hinuntergingen.
    „Wie hättest du den Fall gelöst?“, fragte Uli.
    „Wir müssen die zuständigen Stellen informieren. Die Frau ist krank. Sie braucht Hilfe!“
    „Die zuständigen Stellen haben festgestellt, dass weder Fremd- noch Eigengefährdung vorliegt“, sagte Klaus.
    „Abgesehen davon, dass sie ein- bis zweimal pro Monat strahlenverseuchte Geister durch Wände und Decken kommen sieht, ist sie völlig normal“, sagte Uli.
    „Einer unserer harmlosen Fälle“, bemerkte Klaus.
    „Es ist trotzdem nicht richtig, sie derart an der Nase herumzuführen“, beharrte Dagmar, als sie weiterfuhren.
    „Du darfst ihr beim nächsten Mal gerne erläutern, dass in ihrem Wohnzimmer keine Gespenster herumsitzen, Frau Kommissarin“, sagte Klaus amüsiert.
    Dagmar drehte sich zu ihm um. Alle Unsicherheit war aus ihrem Gesicht verschwunden. „Genau das werde ich tun, Kollege! Außerdem möchte ich klarstellen, dass ich mir meinen Dienstgrad nicht ausgesucht habe. Und dass ich Herrn Kissels Ansprache genauso daneben fand wie ihr. Es wäre deshalb nett, wenn ihr euch eure Anspielungen ab sofort sparen würdet.“
    „Eins zu null für dich“, sagte Uli lachend.
    Die Frisur steht ihr, dachte Klaus.

K APITEL 3
    A ls Klaus nach Hause kam, hatte Hedi die Wohnung wieder in einen menschenwürdigen Zustand gebracht. Sie stand im Wohnzimmer und bügelte Wäsche. Im Fernsehen lief eine Wiederholung der Lindenstraße.
    Klaus nahm die Zeitung vom Sideboard. „Hallo, Schatz! Ich war noch bei Ralf.“
    Ralf war geschieden und arbeitslos, wohnte seit ewigen Zeiten im ersten Stock und schimpfte abwechselnd über die Kinder seiner türkischen Nachbarn und die bosnischen Nichtsnutze aus dem Erdgeschoss.
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