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Die Wassermuehle

Die Wassermuehle

Titel: Die Wassermuehle
Autoren: Nikola Hahn
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für verbesserungsbedürftig.“
    „Das darf doch nicht wahr sein! Ich habe den Kollegen vom Einbruch vor einer halben Minute Stein und Bein geschworen, dass das Ding seit Freitagmorgen in der Post ist.“
    Klaus zuckte mit den Schultern. „Demnächst unterschreibe ich mit Müller.“
    „Das tust du doch ohnehin schon“, sagte Michael grinsend. Es war allgemein bekannt, dass Klaus seinem Streifenpartner Uli Müller regelmäßig schriftliche Arbeiten abnahm, die Kissels Schreibtisch anstandslos passierten.
    Dass Klaus Winterfeldt bei Dienststellenleiter Kissel einen schweren Stand hatte, lag nicht nur an der regelmäßigen Berichterstattung von Rosa Ecklig, sondern auch an einer sechzehn Jahre zurückliegenden Begegnung im Spindraum. Klaus war neu auf dem Revier, und niemand hatte ihn über hausinterne Gepflogenheiten aufgeklärt. Über Notruf wurde eine Schlägerei gemeldet. Klaus rannte die Treppe hinauf, stieß die Tür zum Spindraum auf und knipste das Licht an. Auf dem Bett, das den Beamten nachts zum Ruhen diente, waren Dienststellenleiter Kissel und eine junge Blondine zugange.
    „Was suchen Sie hier?“, schrie Kissel.
    „Äh ... ich wollte meinen Knüppel runter holen“, sagte Klaus verdattert.
    „Wollen Sie mich verarschen?“
    „Wenn Sie bitte entschuldigen? Wir müssen zu einer Schlägerei, und ich habe meinen ... na ja, Polizeistock hier vergessen.“
    Kissel zog das Uniformhemd über seine Blöße. „Raus, Winterfeldt! Auf der Stelle!“
    Noch Wochen danach begegneten alle Angehörigen des Vierten Polizeireviers ihrem Chef mit einem Lächeln, und die dienstlichen Beurteilungen des Streifenpolizisten Winterfeldt hatten lange Zeit nicht für eine Beförderung ausgereicht.
    Wenn Klaus von Kissel absah, fand er seinen beruflichen Alltag im Großen und Ganzen in Ordnung. Es gab Höhen und Tiefen und mit den Jahren fiel ihm der Wechseldienst schwerer, aber er war gern auf der Straße. Die Vorstellung, in einem stickigen Büro im Polizeipräsidium tagein, tagaus über Akten zu brüten, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
    In jungen Jahren hatte er sich trotzdem breitschlagen lassen, eine Bewerbung zur Kriminalpolizei abzugeben. Er musste imaginäre Würfel falten, rechnen, rechtschreiben und schlecht kopierten Politikerfotos die richtigen Namen zuordnen. Was das mit Kriminalistik zu tun hatte, begriff er bis heute nicht. Zuletzt wurde sein Denkvermögen geprüft. Kreuzen Sie an, ob eine Schlussfolgerung logisch ist, die aus zwei vorausgegangenen Sätzen gezogen wird.
    Die ersten Sätze lauteten: Alle Affen sind Äpfel. Alle Äpfel können fliegen. Also können alle Affen fliegen.
    Klaus zog die Schlussfolgerung, auf eine Karriere bei der Kripo zu verzichten. Er nahm einen Nebenjob bei der Firma Tachnon an und ging nach Dienstende Heizungsröhrchen ablesen. Das machten andere Kollegen auch. Es brachte ein Zusatzeinkommen, das er sparte, um seiner Familie eines Tages ein Haus kaufen zu können. Diesen Traum träumte er, seit er verheiratet war.
    Um Viertel nach acht beorderte Dienststellenleiter Kissel die Beamten der D-Schicht in den Sozialraum. Zwei Minuten später kam er mit einer sehr schlanken, schwarzhaarigen jungen Frau herein. Sofort hefteten sich alle Blicke auf sie. Sie zupfte verlegen an ihrer Uniform und sah an den Beamten vorbei zur Wand.
    Kissel wartete, bis alle Geräusche im Raum verstummt waren. „Meine Herren! Ich darf Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass Frau Polizeikommissarin Dagmar Streibel ab heute in Ihrer Dienstgruppe Dienst versehen wird. Ganz besonders freut es mich, dass es gelungen ist, die seit Längerem vakante Stelle von Kollegin Schmidt wieder mit einer jungen Dame besetzen zu können.“
    „Blablabla“, raunte Klaus seinem Streifenpartner Uli ins Ohr.
    „Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, meine Herren, geht mein Bestreben dahin, in allen Dienstgruppen mindestens eine weibliche Beamtin zu haben. Im Gegensatz zu so manchem Gestrigen in unseren Reihen bin ich nämlich durchaus der Meinung, dass Frauen für die Polizei eine Bereicherung darstellen. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen verraten, dass unsere junge Kollegin das Fachhochschulstudium als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat. Der eine oder andere von Ihnen wird also einiges von ihr lernen können, was rechtstheoretische Fragen angeht.“
    Kommissarin Streibel bekam einen roten Kopf.
    Klaus fand, dass sie aussah wie achtzehn. Da sie mit ihrer Ausbildung fertig war, musste sie jedoch mindestens
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