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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars
Autoren: Klaus Frühauf
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einem Auge beobachte ich Myriam und Laser, mit dem anderen die Bildschirme, auf denen sich nichts anderes zeigt als das, was wir schon seit Jahren kennen. Nur die Sonne ist wieder um einen kleinen Betrag gewachsen, aber auch das ist nicht neu. Es fällt mir schwer, mich auf irgend etwas zu konzentrieren, die Nähe des heimatlichen Sonnensystems droht mich aus der Bahn zu werfen. Ich muß durchhalten, hart bleiben und Vorbild sein, sonst kann selbst jetzt noch alles umsonst gewesen sein. Es wird noch Tage dauern, ehe die Menschheit sich hören läßt, oder vielleicht sollte man besser sagen »nur noch Tage…«, denn danach wird alles zu Ende sein.
    Fast die gesamte Besatzung ist in der Zentrale versammelt, schweigend, wartend, obwohl sie alle wissen, daß die Zeit noch nicht gekommen ist.
    Das Unerwartete geschieht mit der Wucht eines Naturereignisses, bricht über uns herein wie eine erneute Katastrophe. Abrupt unterbricht Myriam das Schwingen ihres Körpers, der sich plötzlich wie eine Saite spannt. So auffällig ist diese Bewegung, so voll schmerzlicher Spannung, daß selbst die leeren Augen des jungen Lasers für einen Augenblick zu leben beginnen. Er hebt den Kopf und blickt auf Myriam, aber gleich darauf sehe ich, daß in seinem Blick kein Interesse mehr ist. Die Augen aller anderen bleiben jedoch an Myriam hängen, sehen, wie sich ihre Fingerspitzen in das weiche Plast der Pultverkleidung pressen und wie ihre Schultern plötzlich zu zucken beginnen.
    Myriam wendet den Kopf und blickt auf mich. Ihre Augen sind weit aufgerissen und fragend. »Signale!« flüstert sie, und ein zweites Mal: »Signale!« Und dann ruft sie dieses Wort, das die letzte Phase unserer Expedition und unseres Lebens einleitet, mit vor Aufregung schriller Stimme in die Zentrale: »Funksignale!«
    Das Schweigen, das ihren Worten folgt, ist tief und dauert lange. Nur Lasers ununterbrochenes, sinnloses Plappern kollert durch die Stille und läßt sie dadurch noch ungeheuerlicher, noch belastender erscheinen.
    »Unmöglich!« sagt jemand. »Unmöglich! Hier draußen, jenseits der Plutobahn.«
    Aber Myriam beweist uns sofort, daß es Dinge gibt, mit denen weder wir noch unsere Ahnen jemals gerechnet haben. Sie dreht die Lautsprecher auf. Rauschen überfällt uns, lautes, auf die Nerven gehendes Rauschen, und dazwischen ist eine leise, aber klare Stimme. Und diese Stimme ist hell und jung, die Stimme einer Frau, die Worte in einer uns unbekannten Sprache spricht.
    Ich weiß nicht, ob die anderen ähnliche Gedanken haben wie ich, ihren Gesichtern kann ich es nicht ansehen, nur Staunen ist darin. Vielleicht haben sie noch nicht begriffen, daß jetzt vieles anders ist als vorher, vielleicht ahnen sie noch nicht, daß alles das, was uns die Chronik vorschreibt, ein Trugschluß sein kann, ein Verhaltensmaßstab, der unter falschen Voraussetzungen entstanden ist.
    Unsere Ahnen hatten sich geirrt, als sie den vermutlichen Kontaktpunkt in die Nähe der Jupiterbahn legten. Die Menschheit läßt ihre Stationen bereits im Raum des Pluto kreisen. Muß nicht ihre Technik das Maß, das die Alten vermuteten, bei weitem übersteigen?
     
    Brend verfolgte die Linien auf Biras Bildschirm. Die Außensensoren nahmen seit Minuten die ersten klaren Bilder der Gravibaren des Neptuns auf. Steuerbord voraus hing die mächtige vereiste Kugel als kleines Scheibchen im Dunkel des Kosmos. Das Raumschiff warf sich in das Netz der Schwerelinien und wurde unaufhaltsam beschleunigt. In der nächsten Stunde würde es einen weiten Bogen um den vorletzten Planeten des heimischen Systems schlagen, um dann hinüberzuspringen zu den eng beeinanderliegenden Gravibaren des Pluto. Dort endlich würde es seine letzte Beschleunigung erhalten, würde wie von einem Katapult geschleudert fast mit Lichtgeschwindigkeit hinausschießen in die Leere zwischen Sonne und Sirius. Nach etwa zehn Jahren hofften sie den Sirius zu erreichen. Zehn Jahre, eine schier unendlich lange Zeit!
    Brend war froh, daß sich wenigstens auf Biras Bildschirm etwas tat, daß dort die dunklen Linien heftig dahinhuschten, aber auch das würde sich bald verlieren, und nichts würde um sie sein als der tote interstellare Raum.
    Er lächelte sie an, aber bevor sie es sehen konnte, zuckte sie zusammen, gefesselt von einem kleinen Radarreflex auf ihrem Bildschirm. Sie hob ein wenig die Brauen und beugte sich vor, regelte die Verstärkung nach, aber der Reflex blieb. Und im Verlaufe der nächsten Stunden wuchs er sich zu
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