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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice
Autoren: Rebecca James
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Sarah, die der Verlockung des Rodelbergs nicht länger widerstehen kann, nimmt ihren Schlitten und zieht
     ihn wieder den Hang hoch.
    Robbie und ich stehen nebeneinander und schauen ihr nach. «Sie ist goldig», sagt er. «Bezaubernd.»
    «Ja. Sie sieht aus wie ihr Vater.»
    «Und wie du.»
    Ich würde ihm gern so unendlich vieles sagen, es gibt Stoff |307| für ein stundenlanges Gespräch. Aber hier und jetzt will mir einfach nichts einfallen, nicht ein Wort. Und so stehen wir beide
     schweigend da, bis er die Hand auf meinen Arm legt.
    «Ich muss wieder an die Arbeit. Tut mir leid.» Er wirft einen Blick auf die Gruppe von Leuten hinter uns. «Die warten alle
     auf mich.»
    «Klar», sage ich, ohne ihm in die Augen zu schauen. «Ver steh ich.»
    «Es war toll, dich zu sehen», sagt er. «Ein kleiner Schock.»
    «Völlig unerwartet.» Jetzt, wo ich weiß, dass er geht und ich in Sicherheit bin, kann ich ihm direkt in die Augen schauen.
     «Aber ein guter Schock. Ich fand’s auch toll, dich zu sehen.»
    Er drückt meinen Arm, nickt und wendet sich ab. Ich will schon gehen und Sarah den Hang hinauf folgen, als er meinen Namen
     ruft.
    «Ja?» Ich drehe mich zu ihm um.
    «Hast du später Zeit? Heute Abend? Sollen wir was zusammen essen?»
    Wir vereinbaren, bei uns in der Hütte etwas zu kochen, damit Sarah nicht aus ihrem gewohnten Rhythmus gerissen wird.
    Robbie kommt um halb sieben und bringt die Zutaten fürs Essen mit. Sarah hat schon gegessen und gebadet. Sie sitzt mit angezogenen
     Beinen im Pyjama auf dem Sofa und guckt eine DVD.
    Robbie setzt sich neben sie und unterhält sich mit ihr über die Figuren in dem Film, während ich eine Flasche Wein aufmache.
     Dann gesellt er sich zu mir, und wir setzen uns einander gegenüber an den kleinen runden Esstisch.
    Zuerst sind wir verlegen und übertrieben höflich, und unser Gespräch verläuft irgendwie verkrampft. Wir reden übers Wetter,
     über die Arbeit, über Dinge, die uns eigentlich gar nicht interessieren, doch irgendwann erwähnt Robbie Alice.
    |308| «Hast du sie vermisst? In dem ersten Jahr, als du in Europa warst?», frage ich.
    «Ja.» Er nickt. «Das hab ich, trotz allem, was sie getan hat. Ich hab sie sehr vermisst. Am Anfang, bevor sie starb, wäre
     ich fast wieder nach Hause gekommen. Ich wollte die ganze Zeit einfach nur mit ihr zusammen sein, egal, was sie getan hatte.
     Und dann sah ich auf einmal keinen Sinn mehr darin. Ich bin nicht mal zu ihrer Beerdigung zurückgekommen. Ich hab’s nicht
     über mich gebracht.»
    «Nein. Ich weiß. Ich bin auch nicht hingegangen.» Ich senke den Blick und schaue auf meine Hände, die ich im Schoß fest gefaltet
     habe. Ich schäme mich jetzt für all meine Gehässigkeit und Wut. «Ich hab sie damals so gehasst, dass es scheinheilig gewesen
     wäre. Ich war froh, dass sie gestorben ist. Ich konnte einfach nicht auf ihre Beerdigung gehen und die Trauernde mimen. Ich
     habe sie zu sehr gehasst.»
    «Katherine», sagt Robbie, und ich blicke zu ihm auf. Er schüttelt den Kopf und lächelt sanft. «Natürlich hast du sie gehasst.
     Das war doch wohl normal. Sie war schuld an Micks Tod, das wussten doch alle. Du warst schwanger und zum ersten Mal seit Jahren
     glücklich, und sie hat all das zerstört. Ist doch klar, dass du sie gehasst hast. Ich habe sie dafür auch gehasst.»
    «Hast du überhaupt darüber nachgedacht, zu ihrer Beerdigung zurückzukommen?», frage ich ihn.
    «Nein. Eigentlich nicht. Mein Dad hat mich angerufen und mir erzählt, dass sie ertrunken war. Er hatte es in der Zeitung gelesen
     und dann deine Mutter angerufen. Sie hat ihm alles erzählt – von Mick, von Alice’ Bruder Sean und der Verbindung zu Rachel,
     und ich war total geschockt, richtig angewidert. Ich konnte mich nicht damit auseinandersetzen. Es hat für mich alles in Frage
     gestellt, meine ganze Beziehung zu Alice, die ganze Zeit, die wir drei befreundet waren. War das alles bloß irgend |309| so ein krankes Spiel für sie? War überhaupt irgendwas daran real? Ich war stockwütend auf sie. Ich hätte gar nicht kommen
     können.»
    «Ich habe mich das auch gefragt. Ob irgendwas davon real war. Die ganze Freundschaft. Ich meine, hat sie mich die ganze Zeit
     insgeheim nur gehasst? Hat sie bloß darauf gewartet, sich irgendwann zu rächen?» Ich zucke mit den Schultern und lächle verbittert.
     «Da hab ich mir echt die falsche Schule ausgesucht, was? Von allen Schulen in Sydney entscheide ich mich ausgerechnet für
     die
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