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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice
Autoren: Rebecca James
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die Opfer. Wieso verteidigst du solche Bestien?»
    «Bestien?» Sie schüttelt den Kopf. «Bestien nennst du sie, Katherine? Nicht gerade nett, oder? Nicht gerade fair!»
    «Es sind aber Bestien.» Du spuckst die Worte förmlich aus. |298| «Sie haben meine Schwester umgebracht. Ich hoffe, sie verfaulen in der Hölle.»
    «Mein Bruder ist keine Bestie.» Und ihr Gesicht verzerrt sich zu einer derart verbitterten Fratze, dass sie einen Moment lang
     richtig hässlich aussieht. «Er ist keine Bestie.»
    «Dein Bruder?» Du schüttelst den Kopf. «Von wem redest du?»
    Wieder verändert sich ihr Gesicht, und plötzlich weint sie, und ihre Stimme klingt ganz hoch und zittrig. «Keiner hat ihn
     je geliebt. Keiner. Unsere richtige Mutter nicht. Und auch nicht die Schweine, die uns getrennt haben. Keiner. Meinst du nicht,
     dass ihn das verletzt hat? Meinst du nicht, dass dich so was kaputt macht, wenn deine eigene Mutter dich nicht will? Meinst
     du nicht, dass man Verständnis haben müsste, wenn so ein Junge Mist baut und die Orientierung verliert?»
    «Alice.» Du hältst ihren Arm noch immer fest. Du willst, dass sie dich ansieht, sich beruhigt und aufhört, so einen Unsinn
     zu reden. Ihr Verhalten ist beängstigend, irrational, irre. Du überlegst, ob du sie zu einem Arzt bringen sollst. «Ich weiß
     nicht, wovon du da redest. Ich versteh überhaupt nichts mehr.»
    Sie reißt sich los und starrt dich an. Ihre Miene ist voller Hass.
    «Du hast meinen kleinen Bruder zum Mörder gemacht», sagt sie. «Du hast ihn in den Knast gebracht.»
    «So ein Schwachsinn.»
    «Du hast ihn in den Knast gebracht», sagt sie wieder und betont jedes einzelne Wort langsam und deutlich. Dann lächelt sie
     – ein kaltes und gehässiges Lächeln, das dir das Herz gefrieren lässt. «Soll ich mich noch klarer ausdrücken? Sean. Mein kleiner
     Bruder. Du hast ihn in den Knast gebracht.»
    «Ich kenne deinen kleinen Bruder gar nicht. Wie soll ich   –»
    «Sean», fällt sie dir ins Wort. «Sean Enright.»
    |299| «Aber er   … er ist nicht   …»
    «Doch. Ist er.»
    Und plötzlich begreifst du. Du begreifst alles. Ihre Freundschaft zu dir. Ihre Boshaftigkeit. Es ging die ganze Zeit immer
     nur darum. Um ihren Bruder. Deine Schwester. Um das hier.
    Sean. Der Junge auf der Rückbank des Wagens. Der übergewichtige Junge mit dem netten Gesicht. Er war so nervös gewesen und
     hatte so verängstigt gewirkt   …
    Dennoch. Er hat deiner Schwester Gewalt angetan. Vorsätzlich und unbarmherzig. Er hat seine Wahl getroffen.
    Du stehst da, reglos und stumm wie ein Pfahl, und starrst sie an. Und du möchtest sie schlagen und hast gleichzeitig den Drang,
     dich zu entschuldigen. Sie erwidert deinen Blick, lächelt triumphierend und hämisch, und du bist drauf und dran auszuholen,
     um sie zu ohrfeigen, doch Mick zieht an deinem Arm und drängt dich, weiterzugehen.
    «Katherine. Komm. Lass uns gehen.» Er legt seinen Arm um deine Schultern und dreht dich mit sanfter Gewalt von ihr weg. Er
     zwingt dich weiterzugehen, nach Hause. Es hat angefangen zu regnen, und Wasser spritzt dir ins Gesicht und auf die Haare.
     Ihr werdet klatschnass zu Hause ankommen.
    Sie folgt euch. «Gute Idee, Mick. Bei dem Regen hier rumzustehen, ist ungemütlich, nicht? Gehen wir zu euch und reden da weiter.»
    Er bleibt stehen. Du spürst seine Wut an der Art, wie er deine Schulter fester umfasst, und du hörst sie im Ton seiner Stimme.
     «Verschwinde, Alice. Mach, dass du wegkommst. Lass uns in Ruhe, sonst rufe ich die Polizei. Im Ernst. Verzieh dich. Sofort.»
    «Die Polizei? Na, was kann die schon nützen? Meinem kleinen Bruder hat sie jedenfalls nichts genützt.» Sie neigt den Kopf
     zur Seite und zieht einen Schmollmund. «Aber Polizisten |300| mögen so Leute wie euch, was? So privilegierte Mittelschichtarschlöcher wie euch. Die sind immer auf eurer Seite, nicht?»
    Sie wettert weiter gegen die Polizei, während ihr euch abwendet und weggeht, doch plötzlich schlägt der Ton in ihrer Stimme
     um.
    «Ach, wir wollen uns nicht streiten. Hey. Ich hab eine Idee. Wir ziehen uns alle drei aus und gehen nackt schwimmen. Lernen
     uns ein bisschen intimer kennen.»
    Und schon rennt sie los, den grasbewachsenen Hang hinunter und zum Strand. Sie bückt sich, streift die Schuhe ab und wirft
     sie in den Sand. Sie lässt ihre Strickjacke fallen und zieht sich in einer fließenden Bewegung das Kleid über den Kopf.
    «Komm schon, Katherine!», ruft sie, ihr Gesicht wild
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