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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice
Autoren: Rebecca James
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erklärt. Aber das erteilt ihr nicht die Absolution.
     Nicht in meinen Augen. Andere haben es noch schwerer, und es werden trotzdem anständige Menschen aus ihnen.»
    Wir schweigen eine Weile, beide in unsere Gedanken vertieft.
    «Jedenfalls hast du mir gefehlt», sage ich schließlich. «Wie sehr, das habe ich erst heute Abend gemerkt. Aber du hast mir
     wirklich gefehlt. Sehr.»
    |312| «Und du mir auch», sagt er. «Der einzige Unterschied ist, dass ich gewusst habe, wie sehr du mir fehlst. Vom Tag meiner Abreise
     an.»
    «Aber du hast dich trotzdem nicht gemeldet.»
    «Nein.» Er zuckt die Achseln. «Vor Alice’ Tod hab ich mich ganz bewusst nicht bei dir gemeldet. Ich hab irgendwie gedacht,
     dann würde es mir zu schwerfallen, wegzubleiben. Wenn ich mit dir rede und dich vermisse. Und dann, als ich von Alice’ Tod
     erfuhr, stand ich unter Schock. Ich glaube, ich war deprimiert. Ein bisschen. Und nach einer Weile war ich mir dann einfach
     nicht sicher, ob du überhaupt noch was von mir hören wolltest. Aber ich hätte dir so unglaublich viel zu sagen gehabt. Ich
     hab dir zig lange E-Mails geschrieben, die ich am Ende alle wieder gelöscht habe.»
    «Ich wünschte, du hättest sie abgeschickt», sage ich und lächle.
    «Ich auch.»
    Und dann lächeln wir beide, halten uns an den Händen und trinken unseren Wein.
    Robbie kocht uns was zu essen, und dann reden wir noch lange, bis es so spät ist, dass ich ihm vorschlage, bei uns in der
     Hütte zu übernachten. Er schläft neben mir in dem breiten Bett. Es hat absolut nichts Sexuelles. Robbie trägt ein T-Shirt und eine Pyjamahose von mir. Ich trage ein züchtiges Winternachthemd. Aber wir halten uns an den Händen, ehe wir einschlafen,
     und es ist schön, einen warmen, erwachsenen Körper neben mir im Bett zu haben. Es ist wunderbar, ein wenig umsorgt zu werden.
     Und als Sarah mitten in der Nacht hereinkommt und ihn da liegen sieht, lacht sie froh und möchte sich unbedingt zwischen uns
     kuscheln.
    Ich sehe, wie Robbie, die Augen noch halb geschlossen, für Sarah das Kopfkissen zurechtrückt und sie zudeckt.
    |313| Am nächsten Morgen macht Robbie Rühreier und Toast, und wir drei frühstücken in munterer Runde am Tisch.
    «Wirst du mein neuer Daddy?», fragt Sarah aus heiterem Himmel und mit vollem Mund.
    «Sarah!» Ich versuche, mit einem Lachen darüber hinwegzugehen. «Sei nicht albern.»
    Aber Robbie reagiert gar nicht schockiert. Er widerspricht Sarah auch nicht, sondern lächelt bloß. Und ich bin froh, dass
     er mich nicht anschaut, weil ich spüre, dass mein Gesicht glüht.
    Als es Zeit für ihn wird, bringe ich ihn nach draußen zu seinem Wagen. Sarah klammert sich an sein Bein und bettelt, dass
     er bleiben soll.
    «Ich kann nicht», sagt er lachend. «Ich muss ein paar Leuten Skilaufen beibringen. Damit ihnen auf dem Berg nichts passiert.»
    «Wann kommst du denn wieder?», fragt sie. «Ich lass nur los, wenn du mir sagst, wann.»
    Er sieht mich an, und in seinem Blick liegt eine Frage, ein Angebot, aber ich habe mich bereits entschieden, an dem Tag, an
     dem Mick starb. Und ich werde mir von der Welt nicht noch einmal wehtun lassen.
    Ich wende mich ab, hebe Sarah hoch und vergrabe mein Gesicht in ihrem Haar, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. «Robbie
     muss sehr viel arbeiten, mein Schatz», sage ich. «Er hat keine Zeit, nochmal wiederzukommen.»
     
    «Tante Pip, Tante Pip!» Sarah stürmt durch die Tür und lässt sie hinter sich zuknallen, um dann die Einfahrt hinunter und
     Philippa in die Arme zu laufen. Philippa hebt sie strahlend hoch und drückt sie ganz fest.
    «Schätzchen», sagt sie. «Du hast mir so gefehlt.»
    Philippa will mit Sarah einen Ausflug in den Zoo machen, damit |314| ich in Ruhe die Bewerbungsunterlagen für die Uni ausfüllen kann. Sarah kommt nächstes Jahr in die Schule, und dann habe ich
     endlich Zeit fürs Studium.
    Philippa kommt die Einfahrt hoch, und wir umarmen uns. Wir gehen hinein. Sie sucht Sarahs Sachen zusammen – ihre Wasserflasche,
     ihre Mütze, ihre Lieblingspuppe.
    «Ich bring sie gegen drei zurück. Vielleicht essen wir vorher noch was bei McDonald’s oder so. Als krönenden Abschluss», sagt
     sie.
    «McDonald’s?» Sarah hüpft vor Begeisterung auf und ab. «Au ja. Dürfen wir, Mummy? Dürfen wir?»
    «Eine gute Idee», sage ich. «Heute ist dein Glückstag.»
    Wir gehen mit Sarah zu Philippas Wagen und schnallen sie im Kindersitz an, der extra für sie da ist. Als ich mich von
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