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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice
Autoren: Rebecca James
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Drummond High. Auf die Alice ging.»
    «Aber woher kannte sie dich überhaupt? Woher wusste sie, wer du bist?»
    «Sie muss mich wiedererkannt haben. Auf einem Foto, schätze ich. Nach ihrem Tod haben ihre Eltern jede Menge Kram in ihrer
     Wohnung gefunden. Eine ganze Akte über den Gerichtsprozess. Zeitungsausschnitte, Gerichtsprotokolle und so weiter. Die Zeitungen
     hatten Fotos von mir und Rachel abgedruckt. Als sie mich dann an der Drummond High gesehen hat, muss sie gedacht haben, dass
     alle ihre Träume wahr werden. Sie hat die ganze Zeit gewusst, wer ich bin und was passiert war.»
    «Gott. Das ist ja gruselig. Richtig widerwärtig.»
    «Allerdings.»
    «Es tut mir so leid», sagt er, beugt sich vor und schaut mich eindringlich an. «Heute tut es mir leid, dass ich nicht zurückgekommen
     bin. Ich hätte zurückkommen und dir helfen müssen. Ich hätte ein besserer Freund sein müssen. Ich hätte deinetwegen zurückkommen
     sollen.»
    «Nein.» Ich schüttele den Kopf. «Du hättest nichts machen können. Du hättest nicht helfen können. Es hätte nichts geändert.»
    Robbie schlägt die Augen nieder. Er ist still, und ich fürchte schon, seine Gefühle verletzt zu haben.
    |310| «Robbie?», sage ich. «Alles in Ordnung?»
    «Ja. Ich denke bloß, wie viel Zeit ich ihretwegen vergeudet habe. Wie viel Zeit ich damit vergeudet habe, sie zu vermissen,
     sie zu wollen, wo doch nichts, absolut nichts an ihren Gefühlen real war. Ich hätte mehr davon gehabt, einen Stein zu lieben.»
    Ich lache. «Von einem Stein hättest du zumindest nichts erwartet. Er hätte dich nicht enttäuschen können.»
    «Stimmt.» Und obwohl er lächelt, sind seine Augen tränennass. «Und mein Dad erst. Ich hab ein Jahr lang nicht mit ihm gesprochen,
     ihretwegen. Das war bescheuert, vollkommen sinnlos. Das mit Alice war doch gar nicht seine Schuld, sie hat ihn reingelegt,
     genau wie uns alle. Und ich war die ganze Zeit so wütend auf ihn, selbst dann noch, als ich von Alice’ Tod erfahren hatte.
     Heute kann ich nicht mal mehr sagen, warum. Es macht mich immer noch sauer, dass wir ein ganzes Jahr keinen Kontakt hatten.
     Nur ihretwegen.»
    «Aber weißt du was?», sage ich und werfe einen Blick zu Sarah hinüber, die auf der Couch eingeschlafen ist, mit dem Daumen
     im Mund. «Ich bedauere so vieles aus dieser Zeit, und ich wünsche fast jeden Tag, dass alles anders gekommen wäre. Aber ich
     kann es nicht so richtig bedauern, Alice kennengelernt zu haben. Wenn ich sie nicht kennengelernt hätte, hätte ich Mick nicht
     kennengelernt. Ich hätte Sarah nicht bekommen. Wie kann ich das bedauern? Du kannst unmöglich dein eigenes Kind wegwünschen.»
    «Ja. Ich verstehe, was du meinst. Du bedauerst natürlich, dass Mick gestorben ist. Er war unschuldig und vollkommen unbeteiligt.
     Aber du kannst nicht bedauern, Sarah bekommen zu haben. Das ist bizarr, nicht? Alles, was mit Alice zu tun hat, war bizarr»,
     sagt er, und ich kann Verbitterung in seiner Stimme hören. «Es war alles so verkorkst.»
    «Bist du noch wütend?», frage ich. «Hasst du sie noch?»
    |311| «Ein bisschen», sagt er. Er lächelt wehmütig. «Aber nur, wenn ich an sie denke. Was nicht mehr so oft vorkommt. Und du? Bist
     du noch wütend?»
    Ich denke nach, befrage mich selbst, nehme die wunden Punkte in meinem Inneren in Augenschein und suche nach dem tiefen, heißen
     Kern meiner Wut, die so lange gelodert hat. Da merke ich, dass sie erloschen ist. «Nicht mehr. Ich glaube, sie tut mir jetzt
     einfach nur noch furchtbar leid.»
    Robbie zieht die Augenbrauen hoch. «Ehrlich?»
    «Ich weiß, es klingt vielleicht total unaufrichtig. Irgendwie nach New-Age-Psychologie. Aber sie konnte sich nur für sich
     selbst interessieren, für niemanden sonst. Sie hat nie gelernt zu lieben. Ihr eigene Mutter hat sie nicht geliebt. Stell dir
     nur mal vor, wie das sein muss.» Ich schaue zu Sarah hinüber, die ich über alles liebe. «Sie war innen drin ganz leer. Herzlos.
     Was für ein unglückliches Leben!»
    Robbie nickt, wirkt aber nicht sehr überzeugt.
    «Ich sehe das bei Sarah», fahre ich fort. «Sie beobachtet mich und kopiert mich. Wenn ich freundlich bin, ist sie freundlich.
     Wenn ich liebevoll bin, ist sie es auch. Stell dir vor, es hat niemand so einen Einfluss auf dich ausgeübt. Stell dir vor,
     es bringt dir niemand bei, andere Menschen zu lieben. Wie sehr muss dich das beschädigen.»
    «Mag sein», sagt Robbie achselzuckend. «Mag sein, dass das so einiges
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