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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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bitter erworbene Weisheit, daß ein Volk stärker wird, wenn es sein Blut mit anderen Völkern mischt - solange das alte Wissen nicht in Vergessenheit gerät.
    Bis zum heutigen Tag habe ich an den Römern und an ihrer Lebensweise nichts Gutes finden können. Deshalb konnte ich selbst um Eilans willen, die ich mehr geliebt habe als eine Tochter, keinem Römer Vertrauen schenken. Ich habe nicht einmal Gaius vertraut, den Eilan liebte.
    Hier, auf Avalon, stört uns der Lärm der eisenbeschlagenen Sandalen von Legionären auf gepflasterten Straßen nicht, denn die Göttin hat die Insel in einen Schleier aus Nebeln und Geheimnissen gehüllt, damit die römische Welt und alle, die uns schaden können, der Insel der Äpfel fernbleiben.
    Vielleicht werde ich heute den jungen Frauen, meinen Priesterinnen, erzählen, warum und unter welchen Umständen wir hierher gekommen sind. Denn was nach der Zerstörung des Heiligtums der Frauen auf der Insel Mona und der Gründung dieses Heiligtums auf Avalon geschah, darf nicht vergessen werden. Es ist die Geschichte der Priesterinnen und der Druiden von Vernemeton, dem Heiligtum in den Wäldern, die mich nicht ruhig schlafen läßt.
    In jenen Wäldern von Albion wurde ich in die Geheimnisse der Göttin eingeweiht, und in Vernemeton habe ich sie an Eilan, die Tochter von Rheis, weitergegeben. Eilan wurde die größte der Hohenpriesterinnen, und manche werden behaupten, die größte Verräterin an ihrem Volk. Aber durch Eilan hat sich das Blut des Drachens und das Blut des Adlers mit dem Blut der Weisen gemischt. Und in der Stunde der größten Not werden die Nachkommen dieser Linie Albion stets zu Hilfe kommen.
    Meine Priesterinnen versammeln sich um mich und singen. Ich hebe die Hände, und als die Sonnenstrahlen die Nebel durchdringen, segne ich das Land.
    Die Menschen auf den Märkten sagen, Eilan sei ein Opfer der Römer geworden, aber ich weiß es besser. Es gab eine Zeit, da wurden die Geheimnisse der Göttin im Heiligtum von Vernemeton gehütet. Die Götter verlangen nicht von uns, daß jeder ein Eroberer oder besonders klug sei. Sie wollen nur, daß wir der Wahrheit dienen, die uns so lange anvertraut wird, bis wir sie weitergeben können.
    Meine Priesterinnen beginnen den langsamen Tanz, mit dem wir die Sonne verehren. Ich blicke schweigend auf sie und trinke die Kraft der heilenden Strahlen, die uns Menschen jeden Tag von neuem das Leben schenken. Aber heute wandern meine Gedanken in die dunkle Vergangenheit.
    Vielleicht habe ich im Laufe eines langen Lebens nur das eine gelernt: Nichts auf dieser Welt hat einen Anfang und nichts ein Ende. Jedes Ereignis hat eine Ursache, die es vorbereitet. Und davor gibt es eine andere Ursache und davor wieder eine andere, und so weiter bis zurück zum Uranfang. Die Druiden sagen, das war, als ER, der größer als Gott ist, alle Dinge aus dem Chaos geschaffen hat. Und wer kann IHN, der größer als Gott ist, schon nach Gründen fragen?
    Deshalb kann ich, Caillean, nur erzählen, wie alles für mich anfing, und das war in jener Nacht in Vernemeton, als wir unsere Schwester Aine ins Grab legten. Denn das, was Aine und den anderen Priesterinnen auf der heiligen Insel Mona widerfahren war, hatte dazu geführt, daß man das Heiligtum im Wald am Fuß des Hügels von Vernemeton errichtete. Alle Priesterinnen der römischen Provinz Britannien wurden aufgefordert, sich dorthin zu begeben.
    Wir waren keineswegs nur ein Orden von Priesterinnen. Einige dienten der nährenden Mutter, der reinen Jungfrau und der todbringenden Alten, aber es gab auch Sängerinnen und Heilerinnen. Die Seherinnen dienten dem Orakel - zu ihnen gehörten ich und meine Ziehmutter Lhiannon, die Hohepriesterin des Orakels. Außerdem lebten bei uns die neun erleuchteten Frauen, die das Geheimnis der Sterne kannten, und Hebammen -, obwohl wir alle etwas von Geburtshilfe verstanden und auch gewisse Heilkräfte besaßen. Damals in Vernemeton gehörten noch viele andere zu uns, die wie ich von der Göttin zum heiligen Dienst berufen worden waren.
    Aber was hatte die Druiden veranlaßt, uns an diesem Ort im Wald von Vernemeton zu versammeln?
    Die Ereignisse meiner Geschichte beantworten diese Frage. Der Traum heute nacht fordert mich erneut auf, dafür zu sorgen, daß viele durch mich die Wahrheit erfahren, auch wenn diese Wahrheit sie erschrecken wird.
    An dem Abend, als wir den Leib unserer Schwester Aine der Erde übergeben hatten, versammelten sich alle Frauen in der großen Halle,
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