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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Junge… «, sagte er, »man nennt ihn Gawen. Er ist… mein Enkelsohn. Kannst du mir sagen, wo er jetzt ist?«
    Wenigstens diese Frage konnte ich ihm wahrheitsgemäß beantworten, denn ich wußte es nicht. Niemand hatte Gawen an Samhain gesehen. Seine Amme und auch Senara waren verschwunden.
    Erst am dritten Tag erschien Senara wieder bei uns. Sie kam mit verweinten Augen und einem hoch aufgeschossenen Jungen, der unglücklich aussah.
    »Sie ist meinetwegen gestorben«, schluchzte Senara, als man ihr erzählte, was geschehen war. »Sie hat sich zum Tod verurteilt, um mich und ihr Kind zu retten.«
    Ich war inzwischen erschöpft, und mein ganzer Körper schmerzte, aber ich zwang mich, auch Senara ruhig zu antworten.
    »Dann liegt es jetzt an uns, dafür zu sorgen, daß ihr Opfer nicht umsonst gewesen ist. Wirst du das Gelübde ablegen und an ihrer Stelle der Göttin dienen, da sie gestorben ist?«
    »Nein, das kann ich nicht! Das kann ich nicht!« jammerte Senara. »Es wäre eine Sünde, denn ich bin Nazarenerin. Vater Petros wird von nun an in Deva leben. Er… er überläßt mir seine Hütte. Ich will den Rest meines Leben dort bleiben und beten!«
    Mein Blick richtete sich nach innen. Ich sah plötzlich die Hütte im Wald vor mir, aber in ihrer Nähe standen viele andere.
    Meine Vision von damals ist Wirklichkeit geworden. Andere Einsiedlerinnen haben sich dort um Senara versammelt. Und inzwischen gibt es im Wald von Vernemeton eine der ersten christlichen Schwesternschaften, die den Menschen dienen wie früher die Priesterinnen. Aber es mußten viele Jahre vergehen, bis es soweit war. Hatte Eilan das vorausgesehen? Wie auch immer, sie hatte ihren Teil dazu beigetragen. Senara lehnte es zwar ab, die Hohepriesterin von Vernemeton zu werden, aber in gewisser Weise übernahm sie trotzdem Eilans Erbe.
    »Wirst du Gawen zu seinem Großvater bringen?« fragte mich Senara. »Ich kann ihn nicht bei mir behalten, wenn ich die christlichen Gelübde abgelegt habe und im Wald lebe.«
    Zu welchem Großvater?
    Ich stellte mir diese Frage ganz nüchtern, und plötzlich wußte ich, daß ich den Jungen keinem der beiden Männer mit gutem Gewissen überlassen konnte. Macellius und auch Bendeigid waren Gefangene einer sterbenden Vergangenheit.
    »Gawen… «
    Ich sah den Jungen an. Er war für mich weder Römer noch Britone, weder Kind noch Mann. Er stand an der Schwelle der Möglichkeiten. Eilan war gestorben, damit dieses Kind in einer neuen Welt leben konnte.
    »Ich kehre in das Sommerland zurück, wo die Nebel die Insel mit dem Heiligtum schützen, die man Avalon nennt. Möchtest du mit mir kommen?«
    »In das Sommerland?« fragte er. »Man hat mir gesagt, daß meine Mutter dorthin gegangen ist… «
    »Sie ist noch weiter gegangen… «, meine Augen füllten sich mit Tränen. »Aber einige würden sagen, wir sind ihr dort sehr viel näher als hier… «
    Gawen blickte sich unglücklich um. Wie schwer mußte es für ihn sein, das alles zu erleben, ohne zu verstehen, was er verloren hatte. Für mich war es fast genauso schwer, weil ich viel zu gut verstand, was geschehen war.
    Er hob schließlich den Kopf und sah mich an. Aus ihm sprach ein Wesen, das weder seinen Großeltern noch den Eltern glich.
    »Ich komme mit dir nach Avalon.«

    Hier im Herzen des Sommerlandes frage ich mich manchmal, weshalb gerade ich von den unseligen Ereignissen verschont wurde - als einzige von denen, die eine bedeutende Rolle gespielt haben.
    Ich weiß, daß ich erst anfange, den Sinn und Zusammenhang all dessen zu ahnen. Ist es möglich, daß Eilans Sohn, in dem sich zwei große Ströme des Lebens verbinden, die zur Entstehung unseres Volkes beigetragen haben, zum Vater einer neuen Sippe wird? Wird ein Sohn dieser Sippe eines Tages die Weisheit und die Kraft haben, dieses Volk zu retten?
    Ich weiß es nicht. Der Merlin hat zu mir nicht darüber gesprochen wie einst zu Eilan. Ich weiß nur, daß hinter allem ein Plan liegt.
    Aber nicht von den Raben der Rache wird ein Verteidiger unseres Landes kommen, sondern vom Adler und dem Drachen. Vielleicht wird der Merlin wieder Gestalt annehmen, um dem zur Seite zu stehen, der eines Tages diese Aufgabe hat…
    Nicht lange nach den Ereignissen in Vernemeton habe ich in einem Traum gesehen, wie die Nebel von Avalon den Druiden die Rückkehr auf die Insel verwehrten. Sie werden das Heiligtum hier nicht mehr finden. Ich bin jetzt, wie Lhiannon es gesehen hat, die Hohepriesterin im Sommerland, und wir müssen in
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