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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sein, bevor wir zu Hause sind.«
    Eilan fand schnell wieder das Gleichgewicht. Sie wurde über und über rot und folgte Dieda schweigend. Es dauerte nicht lange, bis sie das leise Plätschern der Quelle hörte. Der Pfad führte jetzt steil nach unten, und schließlich stand Eilan neben Dieda an der Stelle, wo das Wasser aus einer Felsspalte in den kleinen Teich floß.
    Vor sehr langer Zeit war die Quelle mit Steinen gefaßt worden. Im Laufe der vielen Jahre hatte das Wasser die in den Stein eingeritzten Spiralen geglättet. Aber der Haselnußstrauch, an dessen Äste die Menschen ihre Wunschbänder hängten, war jung und stammte von den unzähligen Haselsträuchern, die hier gewachsen waren.
    Die beiden Mädchen setzten sich an den Rand des Teichs und breiteten ein Tuch für die Opfergaben aus - köstliche Kuchen, ein Krug Met und ein paar Silbermünzen. Es war schließlich nur der Teich einer weniger bedeutenden Waldgöttin und keiner der großen heiligen Seen, an denen Heere ihre Siegestrophäen opferten. Aber die Frauen von Eilans Sippe brachten seit vielen Jahren nach ihren Blutungen Opfergaben zu diesem Teich, um ihre Verbindung mit der Göttin zu erneuern.
    Der Frühling hatte erst angefangen, und die Mädchen fröstelten, als sie in der kühlen Abendluft ihre Kleider auszogen und sich über das Wasser beugten.
    »Heilige Quelle, du bist der Leib der Göttin. So wie dein Wasser alles Leben erschafft, so möge auch ich der Welt neues Leben bringen… «
    Eilan schöpfte mit beiden Händen Wasser und ließ es über ihren Leib und zwischen die Schenkel laufen.
    »Heilige Quelle, dein Wasser ist die Milch der Göttin. So wie du die Welt nährst, so laß mich die nähren, die ich liebe… «
    Ihre Brustwarzen richteten sich auf, als das kalte Wasser sie berührte.
    »Heilige Quelle, du bist die Kraft der Göttin. So wie dein Wasser in alle Ewigkeit aus der Tiefe strömt, so gib auch mir die Kraft, die Welt zu erneuern… «
    Sie zitterte, als das Wasser über ihre Stirn lief. Eilan blickte in den dunklen Teich. Als die Wasseroberfläche sich wieder glättete, sah sie den fahlen Schimmer ihres Spiegelbilds. Aber während sie den Blick auf das Wasser richtete, veränderte sich das Gesicht, das ihr daraus entgegenblickte. Sie sah eine sehr viel ältere Frau mit hellerer Haut und dunklen Locken, in denen wie Funken rote Strähnen aufblitzten. Aber die Frau hatte die gleichen Augen wie sie.
    »Eilan… ?« Dieda sah sie verwundert an.
    Eilan blinzelte, und im Wasser spiegelte sich wieder ihr eigenes Gesicht. Dieda, die jüngere Schwester ihrer Mutter, zitterte vor Kälte, und plötzlich fror auch Eilan. Die beiden zogen sich schnell wieder an. Dann nahm Dieda den Kuchen aus dem Korb, und ihre Stimme klang voll und rein, als sie die heiligen Worte sang:
    » Herrin der heiligen Quelle,
    Ich bringe dir diese Gaben
    Und bitte um Leben, Liebe und Glück.
    Göttin, blicke gnädig auf uns.«

    In Vernemeton, dachte Eilan, singt ein ganzer Chor von Priesterinnen dieses Lied. Ihre dünne und etwas unsichere Stimme verband sich in seltsam anmutiger Harmonie mit Diedas Gesang:
    » Segne den Wald und das Feld.
    Damit uns zuteil werde eine reiche Ernte.
    Schenke Gesundheit Mensch und Tier.
    Behüte unsere Seele und unseren Leib!«

    Eilan goß den Met aus dem Krug in das Wasser, während Dieda die Kuchen in Stücke brach und in den Teich warf, wo sie von der Strömung davongetragen wurden. Einen Augenblick schien das Plätschern des Wassers sehr viel lauter zu sein, obwohl nichts die Stille störte. Die beiden Mädchen beugten sich ehrfürchtig über den Teich und warfen nacheinander die silbernen Münzen hinein.
    Als das Wasser sich wieder glättete, spiegelten sich ihre beiden Gesichter darin - sie sahen sich verblüffend ähnlich.
    Eilan lief ein Schauer über den Rücken, denn sie befürchtete, noch einmal in dem See die fremde Frau zu sehen. Plötzlich verschwamm ihr alles vor den Augen, und als sie wieder etwas sah, blickte ihr nur noch ein Gesicht entgegen. Es war wieder das geheimnisvolle Gesicht der anderen Frau. Sie hatte Augen, die im Wasser wie Sterne im dunklen Meer des Himmels strahlten.
    Herrin, bist du die Göttin des Sees? Was willst du von mir?
    Stumm stellte ihr klopfendes Herz diese Frage. Und dann glaubte Eilan als Antwort Worte zu hören, die aus der anderen Welt zu kommen schienen.
    » Mein Leben fließt durch alles Wasser, so wie es durch deine Adern strömt. Ich bin der Fluß der Zeit und das Meer des Raums.
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