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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot
Autoren: Piers Anthony
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wieder in den Weg. Ich ziehe mich gern aus und an. Ich mag auch Männer … nun, nicht solche wie den Ladestock Lee oder diesen Schwindler Swami, aber Männer mit Geist und Herz und …“
    „Schwindler Swami?“
    „Er ist kein Inder. Ich meine kein richtiger. Er ist Indoamerikaner. Und dieses Gerede über Kundalini …“
    „Seine Rasse spielt keine Rolle“, sagte Bruder Paul, sich seiner eigenen gemischten Herkunft bewußt. „Wenn er ernsthaft an seine Religion glaubt, und dessen bin ich sicher …“
    „Er bleibt ein Schwindler“, beharrte sie.
    „Ist er nicht. Er hat mir die Kraft gezeigt …“
    „Wie sind wir denn auf dieses Thema gekommen?“ fragte sie und wandte sich ihm zu. „Küß mich, und dann sehen wir zu, wie wir von hier fortkommen.“
    Bruder Paul war absolut verdutzt. Befreit von den Zwängen ihrer Animationsrollen war sie fast herausfordernd. „Bist du immer so direkt?“
    „Ja. Ist dir nicht aufgefallen, wie ich mich anziehe? Ich habe bestimmte körperliche Vorzüge, und ich möchte, daß das jeder merkt. Aber so mache ich nicht allzu viele Männer an. Zugegeben, viele in Frage kommende Männer gibt es in unserem Dorf nicht, vielleicht nicht einmal auf dem ganzen Planeten. Die meisten sind sowieso wie der alte Griesgram Siltz, langweilig und verheiratet, der wie ein wütendes Krokodil über der Jungfräulichkeit seines Sohnes wacht.“ Plötzlich wurde Bruder Paul klar, warum sie über Siltz so verärgert war: Er hielt einen vorzeigbaren jungen Mann vom Heiratsmarkt zurück. Es gab offensichtlich eine ganze Reihe derartiger Familien, so daß junge Frauen und Männer nur schwer zueinander kommen konnten. „Der religiöse Faktor macht das so schrecklich kompliziert – aber wie auch immer, du bist etwas Besonderes. Du hast irgend etwas – vielleicht ist es wirklich die Aura, die der Swami erwähnte. So wie du mit dem Knochenbrecher fertig geworden bist! Ich habe vor, dich zu verführen, und vielleicht gefällt es dir so gut, daß du mehr willst. Wenn ich dich einmal an der Angel habe, dann sorge ich schon dafür, daß du immer wieder bei mir landest. Ist versuchsweiser Sex gegen deine religiöse Überzeugung? Wenn es nötig ist, kann ich auch diskreter sein.“
    „Nun, der Heilige Orden der Vision verbietet es nicht gerade – es wird als Teil unseres Privatlebens betrachtet. Aber es gibt natürlich bestimmte Erwartungen – nun, wie Schwester Beth sagte …“
    Amaranth seufzte. „Sie war wirklich ein nettes Mädchen. Anders als ich. Hat es in deiner Vergangenheit wirklich eine solche Frau gegeben?“
    „Ja“, gab Bruder Paul zu. „Sie war nicht so hübsch wie du, aber die Schuld an ihrem Tod hat mein Leben verändert. Ich wünschte, eine solche Veränderung wäre auch ohne dieses Opfer möglich gewesen – aber ich komme immer wieder zu der Überzeugung zurück, daß ich nicht in Anspruch nehmen kann, den Willen Gottes begreifen zu wollen.“
    „Das sagen die Zeugen Jehovas auch immer, wenn sie jemand verspottet, daß der Weltuntergang nicht ihren Erwartungen gemäß eintritt: ‚Nimm Jehovas Entscheidung nicht vorweg!’ Ich halte es für Selbstbetrug. Meine Religion ist I.A.O., und keine Priesterin von Abraxas hat vor Schlangen Angst, ob im wörtlichen oder übertragenen Sinn, und auch nicht vor der Vorstellung eines sexistischen Gottes. Wenn du es dir also einmal anders überlegst, werde ich dir Beispiele geben.“
    In ihrem Freimut lag zugleich etwas Abschreckendes und Erfrischendes. Es half einem, herauszufinden, wo man genau stand.
    „Vielleicht stellt sich der Gott von Tarot als Abraxas heraus“, sagte Bruder Paul.
    Die Unterhaltung machte ihn nervös, weil Amaranth einfach zu attraktiv war, in den Animationen wie auch im wirklichen Leben. Und noch irritierender war, daß sie ihn als elementares Wesen gesehen hatte, als lustverstrickten Mann, als einen Spieler am Rande des Gesetzes, als Drogensüchtigen. Sie hatte den Kot gerochen. Sie hatte gesehen, wie die Maske von dem herabgerissen wurde, was sich heute als sanfte Religion tarnte und einst so gänzlich anders gewesen war – und dennoch verdammte sie ihn nicht. Gab es in der menschlichen Sphäre noch eine andere Frau, die seine psychische Nacktheit erkannte, den Schmutz seiner Seele, und nicht zurückwich? Er hatte im Moment nicht die Absicht, ihrem Angebot nachzugeben – doch in der Animation war es ihm offensichtlich anders ergangen.
    Was war denn sein wahres Selbst?
    Man hörte einen Schrei – ein
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