Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
Paul wandte sich zu dem Mann um. „Ich weiß nicht genau, ob ich dich kenne“, sagte er. Jedenfalls nicht von dieser Welt.
    Sein Begleiter war ein Siedler, den er im Dorf nicht getroffen hatte, ein hochgewachsener, schlanker, gutaussehender junger Mann, der gebräunt und gesund aussah. „Ich bin Lee, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, sagte er. „Ich gehöre zu den Beobachtern.“
    „Ah … Mormone“, erwiderte Bruder Paul. „Ich hatte Sie irrtümlich für …“ Er brach ab, weil er nicht verraten wollte, daß er ihn für einen Drogenspitzel der Bundespolizei gehalten hatte. „Aber das ist nun unwichtig.“
    „Laßt uns gehen, ehe sich der Riß in der Erscheinung wieder zusammenfügt“, sagte Lee. „Wir wollen nicht wieder gefangen werden.“ Er ging voraus und schritt kräftig aus. Doch nach einem Augenblick fügte er hinzu: „Was wir erfahren haben, scheint ein bislang unbekannter Aspekt von Animationen zu sein. Auch ich war früher einmal Mitglied Ihrer Sekte, aber ich kann nicht behaupten, viel über Ihre Religion zu wissen. Vermutlich war dies die Wiederholung der Ereignisse, die Sie Mitglied Ihres Ordens werden ließen?“
    „Ja“, stimmte Bruder Paul überrascht zu. „Einige Tage lang war ich teilweise blind, weil, wie man sagte, ich zu lange in die Sonne gestarrt hätte. Ich glaube aber, es war mehr als nur das. Mein Namensvetter ist der Apostel Paulus, und er war nach seiner Bekehrung ebenfalls einige Tage lang blind. Vielleicht haben es die Droge und mein Allgemeinzustand verkompliziert. Der Heilige Orden der Vision hat sich meiner angenommen, mich mit der Erinnerungsdroge und Freundlichkeit versorgt; man hat die Dosierung des einen herabgesetzt und die des anderen hinaufgesetzt, bis ich wieder stabil wurde. Mein gesamtes Erinnerungsvermögen habe ich nicht zurückerlangt. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Ziel erkannt. Und diese Entscheidung habe ich niemals bereut.“
    Lee lächelte und verstand. „Genau wie der Apostel Paulus zu den Christen übertrat, die er verfolgt hatte …“
    „Trat ich dem Orden bei, dem ich Unrecht getan hatte“, stimmte Bruder Paul zu. „Innerhalb dieses Prozesses wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes zum Christen. Ich bedauere außerordentlich, daß Schwester Beth sterben mußte, um meine Bekehrung zu beschleunigen …“
    „Ich bin aber sicher, Sie haben ihren Platz bewundernswert ausgefüllt“, sagte Lee. „Wir wissen nicht um den Sinn von Gottes Taten. Wir wissen nur, daß es eine Bedeutung gibt. Warum hat Gott dem Apostel Paulus gestattet, Stephanus zu steinigen? Wenn ich dabeigewesen wäre, hätte ich Stephanus sicher für einen besseren Fürsprecher der Christen gehalten als den lahmen, epileptischen, pharisäischen Juden.“ Er lächelte. „Was nur zeigt, wie wenig ich gewußt hätte. Nur Gott ist allwissend.“
    „Amen“, stimmte Bruder Paul zu und entdeckte eine neue Erkenntnis. „Der Apostel Paulus hat das Christentum zu dem gemacht, was es ist, zumindest in beträchtlichem Ausmaß. Er hat es für den Bürger akzeptabel gemacht. Diese augenscheinlich kleine, wenn auch kontroverse Veränderung machte den ganzen Unterschied aus.“
    „Wirklich“, stimmte Lee zu. „Vielleicht werden auch Sie Ihrem Orden und der Welt soviel Gutes tun wie der Apostel, Ihr Namensvetter.“
    „Ein lächerlicher Traum“, meinte Bruder Paul. „Nur Gott allein weiß, was für eine unfertige Hülse ich bin. Wieviel von meiner Animation haben Sie mitbekommen?“ Bruder Paul merkte, daß er den Mann gut leiden konnte, und er hoffte, daß er die Schauderhaftigkeiten seiner persönlichen Animation nicht gesehen hatte. Einige Geheimnisse mußten einfach verborgen bleiben.
    „Nur Bruchstücke, glaube ich. Ein Spiel, das Tarotakkordeon hieß … ich spiele nicht zum Vergnügen Karten, aber ich möchte auch kein Urteil darüber fällen.“ Er hielt inne. „Haben alle Episoden Teile aus Ihrem vergangenen Leben dargestellt oder waren einige allegorisch?“
    „Einige waren real, die anderen reine Phantasie“, entgegnete Bruder Paul verlegen. Wenn Lee Teile seiner alptraumartigen Visionen gesehen hatte, so war er offensichtlich zu taktvoll, um sich dies anmerken zu lassen.
    „Ich fragte nur“, sagte Lee mit einer gewissen Gleichgültigkeit, „weil mir nämlich etwas sehr Merkwürdiges passiert ist, und ich frage mich, ob Sie es mir vielleicht erklären können. Ich spürte … es war, als würde mir eine andere Persönlichkeit aufgedrängt.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher