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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Autoren: Hannes Wertheim
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Stadt wollte ich über den Gang des Verfahrens gegen Rebecca unterrichtet werden. Ein geschwätziger Kerkerknecht hatte mir berichtet, daß man sie gestern zum ersten Mal der peinlichen Befragung ausgesetzt hat.«
    »Und?«
    »Nichts weiter. Der Greve weigerte sich, mich zu empfangen. Die Schöffen gingen grußlos an mir vorbei, schlüpften in den Raum, als sei es ihnen peinlich, mit mir zu sprechen.«
    Van Geldern legte fragend den Kopf zur Seite. »Was kann das bedeuten?«
    »Ich fürchte, nichts Gutes. Der eben genannte Kerkerknecht murmelte mir etwas von einem Wunder, einer erstaunlichen Wende in dem Verfahren. Auch wollte er kein Geld von mir annehmen, um weitere Nachforschungen anzustellen. Endlich traf ich auf eine der Wartenonnen. Ich hielt sie an und fragte nach dem Befinden der Ketzerin.« Der Gewaltrichter biß an seinem Daumennagel herum.
    »Weiter«, forderte van Geldern ungeduldig.
    »›Ketzerin‹? sagte die Frau in unverschämter Weise. ›Wenn ihr von der Frau Rebecca sprecht, so nehmt dieses Wort nicht in den Mund. Sie ist eine Heilige.‹ Sprach’s und verschwand. Wie ich fürchte, um eben das in aller Welt herumzuerzählen. Es ist ein seltsames Ding mit Eurer Schwägerin. Alle Welt scheint von ihr behext.«
    Van Geldern stieß einen Laut des Unwillens aus.
    »Wir brauchen unwiderlegbare Beweise, sonst fürchte ich, daß alles im Sande verläuft«, meinte der Gewaltrichter.
    »Wartet hier«, erwiderte der Kaufmann und verließ den Morgensaal. Wenig später kehrte er zurück, in der Rechten trug er die Briefe des Diakons. »Übergebt das dem Greven. Laßt Euch nicht abwimmeln. Droht, wenn nötig, mit dem Bürgermeister. Der Rat der Stadt Köln wird es sich nicht gefallen lassen, eine Ketzerin in seinen Mauern so milde behandelt zu sehen.«
    »Euer Wort in Gottes Ohr.« Seufzend verließ der Gewaltrichter den Raum.
    9
    M agere Rauchsäulen stiegen aus den losen Bretterbuden heraus, die eng geduckt in den Bögen der Stadtmauer standen. Kölns ärmstes Volk zimmerte sich im Schutz des Gemäuers hartnäckig und gegen die immer wieder erneuerten Erlasse des Rates seine Unterkünfte. Lumpenvolk, Bettler, Mühlenstoßer, Müßiggänger, Hoffnungslose und Haltlose mischten sich in windigen Verschlägen zu einer Gemeinschaft der Ausgestoßenen. Hierhin hatte Don Seraph seine Freunde geführt. Hier fragte man nicht allzuviel, und gegen ein paar Weißpfennige war man bereit, selbst die zwielichtigsten Gestalten so lange zu beherbergen, bis deren Auslieferung an die Stadtgewalt einen noch besseren Lohn versprach.
    Eine zahnlose Kupplerin hatte ihren Bretterverhau geräumt, der sich immerhin einer kleinen Feuerstelle rühmen durfte. Bissiger Qualm stand in dem feuchten Verschlag, dessen drei grobe Wände an der Mauer lehnten. Dort war auch ein schäbiges Lager aus einem Strohsack und schmutzigen Decken bereitet, auf dem Columba lag. Lazarus kniete neben ihr, er hatte die Beginenhaube gelöst, strich ihr das dunkle, schweißnasse Haar aus der Stirn, rieb ihr die Hände und die Füße gegen die Kälte. Das Mädchen fieberte heftig. Tringin hatte die Wunde nach bestem Wissen mit Essig ausgewaschen und mit einem Stück mäßig sauberen Leinens verbunden.
    »Wir brauchen einen Arzt«, sagte Lazarus zum wiederholten Male. »Die Wunde geht tief.«
    »Nicht so tief wie die deine ging«, versuchte Tringin ihn zu beruhigen. »Ich denke, es war mehr die Überraschung, dich zu sehen, die Aufregung um den Tod dieser anderen Frau, was sie so schwächte.«
    Don Seraph strich sich nachdenklich den Bart. »Willst du mir nicht endlich sagen, wer das ist?«
    Lazarus schwieg. Tringin wagte nicht, das Geheimnis preiszugeben. »Wenn du mir nicht sagst, wer sie ist, wenn du nicht einmal mir vertraust, kann ich unmöglich den Feldscher hierherbringen, Lazarus. Er ist eine treue Seele, aber ich kann seine Verschwiegenheit nicht allzu sehr strapazieren, nachdem er schon dich so brav zusammengeflickt hat.«
    »Ich weiß, wen wir holen können«, meldete sich Tringin zu Wort. Don Seraph und Lazarus schauten sie an. »Doktor Birckmann. Er ist ein besonderer Freund Co ..., des Mädchens«, verbesserte sie sich rasch.
    »Doktor Birckmann? Hmm, ich erinnere mich aus meinen Knabenjahren an einen gewissen Theodor, Sohn des reichen Druckers von Unter Fetten Hennen.«
    »Eben den meine ich!« rief Tringin erfreut. »Ihr kennt ihn?«
    Don Seraph nickte. »Sehr gut, er ist so alt wie ich. Wir spielten oft im Hause meines Vaters zusammen. Er war
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