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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Autoren: Hannes Wertheim
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ein ernster, strebsamer Bursche, ich kann mir gut denken, daß er ein trefflicher Arzt geworden ist.«
    »Der Beste im ganzen Kurkölnischen. Er behandelt sogar den Erzbischof«, sagte Lazarus.
    »Den Erzbischof? Und Ihr denkt, Birckmann ist der rechte Mann, um an einem Ort wie diesem Eure seltsame Freundin in Beginentracht aufzusuchen? Sie muß eine mächtig bedeutende Persönlichkeit sein, wenn ein Birckmann sie schätzt.«
    »Und welch mächtig bedeutende Person bist du, daß er dich als Knabe zum Spielgefährten nahm?« fragte sein Freund mit wütendem Spott.
    Don Seraph seufzte. »Nicht ich war bedeutend, mein Vater war’s. Arndt van Geldern gehörte damals zu den reichsten Kaufherrn der Stadt, vielleicht tut er das heute noch. Was ist? Glaubt ihr mir nicht?«
    Verwundert blickte er in die Gesichter von Lazarus und Tringin. Beide schienen wie erstarrt, beide waren mit einem Schlag ganz weiß geworden.
    »Ich weiß, daß ich nicht vornehm wirke«, sagte der Feldhauptmann betreten, »bin kein Mann von Bildung. Ein Hasardeur, ein Tunichtgut oder Lumpensack, wie mein Vater mich zu schimpfen pflegte. Aber es ist wahr. Sagte ich dir nicht«, er wandte sich an Tringin, »daß ich Melchior heiße und in Köln geboren bin?«
    Rote Flecken zeigten sich jetzt auf den Wangen des Mädchens. Sie nickte. »Ja, das ist wahr.«
    Lazarus war aufgesprungen, er packte seinen Freund bei den Schultern. »Wenn es die Wahrheit ist, dann sollst auch du die Wahrheit erfahren: Das Mädchen dort ist deine Schwester. Es ist Columba. Columba van Geldern.«
    Don Seraph schnappte nach Luft, hustete, weil ihm der Qualm der Hütte dabei in die Lungen fuhr, er griff sich an die Kehle, stürzte endlich aus dem Bretterverschlag und rang draußen nach Atem. Tringin und Lazarus schauten sich an.
    10
    H ier lest das, Galisius.« Der Greve reichte dem Exorzisten über den Tisch hinweg einige Papiere, vertiefte sich dann in die Briefe, die noch vor ihm lagen.
    Galisius’ Augen saugten sich geradezu an den Buchstaben fest, seine Hände begannen zu zittern. »Welch abscheuliche Blasphemie«, stöhnte er. »Hört Euch das erst an«, warf der Greve ein und las: »Meine himmlische Liebe zu Dir, Herrin, ist groß und mächtig. Sprich mir nicht vom Teufel, denn er wohnt nicht bei Dir. Nur Du kannst mich erheben, scheue nicht die Lust des Fleisches, denn es ist eine heilige Lust. Die Schaffnerin Anna sagt mir, daß Du Dich eine Besessene nennst. Du irrst. Tausendmal irrst Du. Du, Leben meiner Seele, Gesegnete, Erhabene. Ich weiß, wo die Teufel wohnen ...«
    Galisius entriß dem Greven das Schriftstück und warf es zu Boden, als handele es sich um ein giftiges Tier. »Es ist abscheulich. Widerwärtig. Unfaßbar. Das Weib muß ihn verführt haben.«
    »Das Weib?« fragte der Greve erstaunt. »Lest genau, nicht das Weib hat ihn verführt, sondern er das Weib.«
    »Verdrehte Welt. Verkehrt, verkehrt!« schrie Galisius wie von Sinnen.
    »Besinnt Euch. Denkt an die Beweise, nach denen wir suchten. Hier, wir halten sie in unseren Händen. Ein ekler Ketzer war der Kerl. Wie er die Bibel benutzt, das heilige Wort mißbraucht und besudelt. Er nennt sich selbst Satan, beschwört seine widerwärtige Lust ...«
    »Nie darf jemand das zu Gesicht bekommen.«
    »Außer den Schöffen«, entschied der Greve. »Wir müssen das Verfahren gegen Rebecca einstellen, wenn sie von diesen Briefen erzählt.«
    Galisius erbleichte. »Wenn sie die Namen nennt«, fuhr der Greve fort, »die sie uns nannte. Das Volk würde rasen ...«
    »Wir können sie noch mundtot machen!«
    »Nie und nimmer, Ihr habt gesehen, daß sie gewöhnlichen Schmerzen zu widerstehen weiß. Gott hält seine schützende Hand über sie, er macht sie stark.«
    »Das würde heißen, sie sagt die Wahrheit.« Galisius wurde wennmöglich noch blasser. »Die Wahrheit, Greve, wißt Ihr, was das hieße? Ganz Köln ein Pfuhl schlimmster Sünden.«
    Der Greve schwieg und dachte nach. »Wir müssen jemanden brennen«, beharrte Galisius, »wir sind es der Wahrheit schuldig.«
    »Wen wollt Ihr brennen lassen?« fragte der Greve wütend. »Den Erzbischof vielleicht? Den Bürgermeister?«
    »Es muß einen Schuldigen geben für den Tod des Diakons. Wir müssen ihn reinwaschen. Er war ein Mann der Kirche.«
    Der Greve griff wieder nach einem Brief. Hastig überflog er den Inhalt. »Hört zu«, sagte er endlich, »hier schreibt der Elende von einer Schaffnerin Anna: ›Sie kam zu mir und sagte, Du seiest bereit für mich. Bald, so
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