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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco
Autoren: Bernhard Jaumann
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hatte, wenn er jetzt versagte.
    »Warum?« fragte er und sah zu, wie Catia achtlos ein paar T-Shirts in den Koffer auf ihrem Bett warf. Es war ein alter Koffer aus gepreßter Pappe, der Maria gehört hatte.
    »Du bist nicht mal volljährig«, sagte Vannoni.
    »Und schwanger. Ich weiß«, sagte Catia.
    »Du brauchst jemanden für das Kind«, sagte Vannoni. »Du stellst dir das zu leicht vor. Hier würde dir ganz Montesecco ...«
    »Eben«, sagte Catia. Sie öffnete die Schreibtischschublade und betrachtete den Krimskrams darin.
    »Ist es wegen Paolo?« fragte Vannoni. Ihn schauderte noch immer. Er hatte mit angepackt. Zu viert hatten sie die Leiche ins Dorf zurückgetragen und in den Fiat Ducato gehievt. Hinten in den Laderaum. Angelo war dann nach Pergola gefahren.
    »Es ist wegen allem«, sagte Catia. Sie schob die Schublade wieder zu, ohne irgend etwas herausgenommen zu haben.
    »Wohin willst du denn?« fragte Vannoni, als ob das nicht völlig egal wäre.
    Catia zuckte die Achseln. »Nach Rio vielleicht. Oder bloß nach Riccione.«
    Vannoni fingerte eine Zigarette aus der Packung und steckte sie sofort wieder zurück. Leise sagte er: »Ich brauche dich!«
    »Nein!« Catia lachte kehlig.
    »Ich komme mit.«
    »Nein!« Catia klappte den Koffer zu und ließ die Verschlüsse einschnappen. Sie sah sich nicht einmal mehr in ihrem Zimmer um, als sie den Koffer vom Bett zog.
    »Hör zu, Catia ...!« sagte Vannoni. Er wußte nicht, was er noch sagen sollte. Er konnte sie doch nicht hier festbinden!
    Von der Tür aus lächelte Catia ihm zu. Aus ihren Augen glaubte er genau die gleiche unheimliche Fremdheit zu lesen, die ihn schon bei Maria so hilflos gelassen hatte. Eine Fremdheit, an der man nichts ändern konnte. Nicht mit Worten, nicht mit Gewehrkugeln, nicht mit Liebe, nicht mit Haß.
    »Gute Reise!« sagte Vannoni.
    Mit der freien Hand winkte Catia ihm zu. Sie sagte: »Wenn es ein Junge wird, werde ich ihn Matteo nennen.«
    Vannoni hätte sie gern in der Nähe gehabt.
    Sie war schon auf der Treppe nach unten, als er sie sagen hörte: »Aber ich glaube, es wird ein Mädchen.«
    Tröstlich war, daß die beiden Lucarellis eine würdige Beerdigung erhalten hatten. Darin waren sich alle einig, als sie die Straße zurück ins Dorf gingen. Der Pfarrer hatte so bewegende Worte gefunden, daß sich selbst Assuntas fast steingewordene Verbitterung in Tränen löste. Der Friedhof war ein einziges Blumenmeer, selbst die Gemeinde hatte einen Kranz geschickt. Eine Cousine von Milena Angiolini, die in Bologna Gesang studierte, hatte am Grab das »Ave Maria« gesungen, und die Alten hatten es sich nicht nehmen lassen, mit ihren Jagdgewehren Salut zu schießen.
    Natürlich war der Moment, als die Särge in die Grabkammern geschoben wurden, nicht nur für die Hinterbliebenen schrecklich gewesen. Sicher, man hatte gewußt, daß Carlo und Giorgio tot waren und nicht wieder lebendig würden, aber sie waren immerhin noch dagewesen. Erst als die Särge durch die Steinplatten von der Welt ausgeschlossen, als die Schrauben angezogen waren, wurdeallen bewußt, daß man die beiden in diesem Leben zum letztenmal gesehen hatte.
    An diesen Steinplatten war die Unwiderruflichkeit des Todes mit Händen zu greifen gewesen. Auch wenn man sich dadurch wie vernichtet fühlte, blieb einem nichts übrig, als sich ins Unabänderliche zu fügen. Doch wie immer, wenn man am tiefsten Punkt angelangt war, konnte der Weg nur nach oben führen. Schon am Friedhofstor begann die Anspannung zu weichen, begannen Verzweiflung und Beklommenheit in die leicht anarchische Heiterkeit umzuschlagen, die Außenstehenden bei Trauergesellschaften oft so befremdlich erscheint.
    Es war der alte Sgreccia, der vorschlug, sich ausnahmsweise schon vor dem Mittagessen ein Gläschen zu genehmigen. Der Americano sagte, daß man das gut mit einer Partie Briscola verbinden könne. Franco Marcantoni übernahm es, Ivan Garzone zur vorzeitigen Öffnung der Bar zu überreden, und der alte Curzio meinte, damit sich das für die Garzones rentiere, könne Marta doch auch etwas zu beißen herrichten. Nichts Großes, er denke da an Piadine mit Prosciutto und Pecorino. Oder vielleicht ein wenig Affettato misto. Und dazu Zucchini, marinierte Auberginen, gefüllte Oliven nach Ascolaner Art und jene köstlichen eingelegten Peperoni, wie sie nur Marta so hinbekomme. Ein paar Nudeln wären freilich auch nicht zu verachten.
    »Tagliatelle mit Wildschweinragout«, sinnierte der Americano.
    »Gramigna alla
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