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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco
Autoren: Bernhard Jaumann
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Norciana«, empfahl Angelo Sgreccia.
    »Maccheroncini al fumé«, schwärmte Franco Marcantoni.
    »Nichts mit zuviel Sahne und Speck«, sagte der alte Curzio, »außer es gibt etwas Leichtes als Secondo. Gebratene Wachteln zum Beispiel.«
    »Nach dem Fisch, meinst du?« fragte der Americano. »Ich dachte da an Seezungenfilets in Zitronenöl mit ein paar feinen Kräutern.«
    »Oder ein mit Sesamkernen panierter, kurz angebratener Thunfisch«, sagte Angelo Sgreccia.
    »Oder einfach ein Teller Venusmuscheln in Tomaten-Knoblauch-Sugo«, sagte Franco Marcantoni.
    Es reichte dann doch nur zu trockenen Piadine, da Marta es unter dem Beifall der anderen Frauen entschieden ablehnte, sich an solch einem Tag in die Küche zu stellen. Ivans Weißwein sprach man dafür um so kräftiger zu, auch wenn er nicht so kalt war, wie er eigentlich sein sollte. Zwar arbeitete der Kühlschrank inzwischen auf Hochtouren, doch war die über Montesecco verhängte Stromsperre erst zwei Stunden zuvor, exakt mit dem Glockenläuten zur Totenmesse, aufgehoben worden.
    »Im Magen wird der Wein eh warm«, sagte Gianmaria Curzio.
    Benito Sgreccia schlürfte einen Schluck und sagte: »Ja, er geht schon.«
    »Er geht schon? Was soll das heißen: Er geht schon?« ereiferte sich Ivan Garzone. »Mein Wein ist allererste Güte. So einen Tropfen bekommst du in ganz Italien nicht mehr!«
    »Möglich«, sagte der alte Sgreccia.
    »Hoffentlich«, sagte der alte Curzio. »Schon wegen der sozialen Auswirkungen. Ich meine, an der Weinindustrie hängen ja jede Menge Arbeitsplätze, und wenn das Zeug keiner mehr kaufen würde ...«
    »Was?« fragte Ivan entrüstet.
    »Außer Ivan natürlich«, sagte der alte Sgreccia.
    Der alte Curzio nickte. »Außer Ivan natürlich, der seine Monopolstellung in einem bedauernswerten Nest dazu ausnützt, seine noch bedauernswerteren Gäste mit einem Gesöff abzufüllen, das ...«
    »... nicht einmal richtig temperiert ist«, fiel ihm der alte Sgreccia ins Wort.
    »... das, selbst wenn es richtig temperiert wäre, höchstens als Schmiermittel Verwendung finden dürfte.«
    »So? So ist das also«, sagte Ivan. Er griff nach der Flascheauf dem Tisch. »Dann ist eben Schluß! Verschwindet! Geht doch dahin, wo es euch besser schmeckt!«
    »Ivan!« sagte Franco. »Die Flasche habe ich bezahlt!«
    »Na und? Es gibt Wichtigeres als Geld!« Ivan drückte die Flasche an seine Brust. »Hier geht es um die Ehre! Und deshalb ist diese Flasche unbezahlbar. Zumindest für euch! Auf euch bin ich sowieso nicht angewiesen.«
    »Ach, nein?« fragte der alte Curzio.
    Voller Verachtung sah Ivan ihn an. »Ich werde aus dem Laden hier eine Cocktailbar machen, daß die Leute bis aus Ancona und Pesaro anreisen. Was sage ich, sogar aus Rom werden sie kommen und Schlange stehen bis hinunter zur Piazza. Und ich werde zwei Schwarze aus der Bronx als Türsteher anstellen und sie strikt anweisen, keinen aus Montesecco hereinzulassen.«
    Gianmaria Curzio holte tief Luft. »So, zwei Schwarze aus der Bronx, die wahrscheinlich ...«
    »Curzio hat es nicht so gemeint«, lenkte Franco Marcantoni ein. »Los, hol noch eine Flasche, Ivan! Ich gebe noch eine aus.«
    Ivans Aufbrausen war genauso vorhersehbar gewesen wie die Tatsache, daß er sich ebenso schnell wieder beruhigen würde, wenn man ihm nur überzeugend genug versicherte, daß nichts über seinen Wein ginge, der als Schmiermittel für Leib und Seele unübertrefflich wäre.
    »Wunderbar«, sagte der Americano, als sich die Wogen geglättet hatten. Er füllte die Gläser und fragte: »Wie wäre es jetzt mit einer Runde Briscola?«
    Die Frauen saßen auf den Steinbänken unter den Eschen und fächelten sich Luft zu, während Martas Kinder beharrlich, aber erfolglos versuchten, Gigolo zum Männchenmachen zu animieren. Es war heiß wie an den Tagen zuvor, doch alles war in Ordnung, in einer schmerzlich vermißten, fast nicht mehr für möglich gehaltenen Ordnung, in der man sich zurücklehnen und den Blick ziellos über die weite Hügellandschaft streifen lassen konnte.
    Und so wäre der Tag wahrscheinlich unter Reden und Trinken und Schauen und Sitzen ruhig zerronnen, wenn nicht um elf Uhr fünfundfünfzig zwei Streifenwagen der Carabinieri auf die Piazzetta eingefahren wären. Auf Blaulicht und Sirenen hatten sie verzichtet, doch die Art, wie der Brigadiere nach dem Aussteigen seine Uniform zurechtrückte, verhieß nichts Gutes. Mit einer energischen Handbewegung wies er seine Männer an, die Autos nicht aus den
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