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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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Larrazábal.«
    »Fantastique!«, rief der Franzose. »Sie ist eine Kundin von mir, wie du weißt.«
    »Ich weiß, dass du den Teufel an der Schnecke ihrer Geige geschnitzt hast, Mutter hat es mir erzählt. Es heißt, die Frau hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wie Paganini!«
    »Ach ja?«, rief Lupot, und in seinem Ton lag ein Anflug von Spott, denn er war es müde, immer wieder die gleiche alte Leier über die Geigerin zu hören.
    »Du bist ein ungläubiger Thomas! Aber weißt du, was mein Vater sagt, Arsène? Er sagt, der größte Gefallen, den der Mensch dem Teufel tun kann, ist, nicht an ihn zu glauben.«
    »Red keinen Unsinn. Willst du wissen, woher Paganinis übermenschliche Geschicklichkeit rührte?«
    »Nicht vom Teufel?«
    »Paganini litt unter einer seltsamen Krankheit, dem sogenannten Marfan-Syndrom. Noch heute, trotz des enormen Fortschritts, den die Medizin gemacht hat, existiert kein Heilmittel gegen dieses Leiden. Er war in der Lage, drei Oktaven zu greifen, ohne die Hand zu bewegen, aber er hat dafür nicht mit seiner Seele bezahlt, sondern mit seiner Gesundheit.«
    »Marfan-Syndrom? Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Natürlich nicht, es ist ja auch keine sexuell übertragbare Krankheit, über was anderes redet ihr ja heute nicht mehr. Möglicherweise war es auch eine andere, ganz ähnliche und vergleichbar seltene Krankheit, das Ehlers-Danlos-Syndrom. Wie auch immer, Paganini hatte unnatürlich lange Finger, die Gelenke waren pathologisch beweglich, und die Bänder so elastisch, dass er sich sehr vor Verrenkungen in Acht nehmen musste. Es heißt, auch Houdini habe unter dieser Krankheit gelitten, deshalb habe er sich auch mit solcher Leichtigkeit aus den Zwangsjacken befreien können.«
    »Ein Pakt mit dem Teufel klingt so schön und poetisch, aber ihr französischen Enzyklopädisten müsst ja jeden Zauber und alles Magische immer gleich zerstören.«
    »Was für einen Zauber denn? Paganini war ein Geizkragen. Als er in London war, übte er mit einem Schalldämpfer, wusstest du das? Aber nicht etwa, um die Nachbarn zu schonen, sondern damit niemand, der nicht dafür bezahlt hatte, in den Genuss seiner Kunst kam.«
    »Wie knauserig!«
    »Dann hör erst mal, was er mit seiner englischen Putzfrau gemacht hat. Die arme Frau fragte ihn einmal, ob es möglich wäre, dass sie eines seiner Konzerte im King’s Theatre besuchte. Paganini schickte ihr zwei Eintrittskarten, aber als er ihr am Monatsende ihren Lohn auszahlte, musste sie feststellen, dass Paganini ihr den Preis für die beiden Plätze vom Lohn abgezogen hatte.«
    »Jetzt verstehe ich, warum du die Geschichte mit dem Teufelspakt zerpflücken möchtest: Weil seine Beziehung zum Fürsten der Finsternis Paganini eine besondere Würde verleiht!«
    »Allerdings! In Paris brachte er die gesamte Presse gegen sich auf, weil er sich weigerte, ein Wohltätigkeitskonzert zu geben. Auch in London haben sie ihn heruntergeputzt, weil er astronomische Preise für die Eintrittskarten verlangte. Am Ende haben sie ihm den Spitznamen Signor Paganiente  – Herr Bezahltnichts – verpasst.«
    »Witzig – wusstest du, dass wir hier in Spanien in der Umgangssprache das Wort ›paganini‹ genau umgekehrt verwenden – für den Tölpel, der am Ende immer alles bezahlen muss?«
    » Paganiente war nicht nur knauserig mit dem Geld, sondern auch mit seiner Spieltechnik«, fuhr Lupot fort, der nun völlig in seiner Diskreditierung des legendären Geigers aufging. »Nie stimmte er sein Instrument in der Öffentlichkeit, damit niemand seine Methode kopieren konnte, denn er verwendete verschiedene scordature, und er veröffentlichte seine Werke erst nach Jahrzehnten, damit niemand außer ihm sie spielen konnte.«
    »Gab es auch jemanden, der ihn mochte?«
    »Die Deutschen und die Österreicher bewunderten ihn sehr.«
    »Ich meine, hatte er auch Freunde?«
    »Rossini, denn der war genau wie er: ein Spieler und Frauenheld, der gerne trank. Und natürlich Antonia Bianchi, die Frau, mit der er seinen einzigen Sohn Achille hatte.«
    »Stimmt es, dass er eine seiner Geliebten umgebracht hat?«
    »Das ist die einzige Geschichte über Paganini, die mir zweifelhaft erscheint, denn um jemanden zu töten, braucht man mehr Mut, als ich ihm zutraue. Es heißt, als Paganini eines Tages über den Boulevard des Italiens in Paris spaziert sei, habe er in einem Schaufenster eine Lithografie mit dem Titel Paganini im Gefängnis gesehen. Daraufhin griff er zur Feder und
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