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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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seine Dienstmarke.
    »Sie haben sich aber beeilt!«, rief Lledó. »Wir haben das Verbrechen gerade erst gemeldet.«
    »Das liegt daran, dass ich schon im Konzertsaal war, als Besucher«, erklärte Perdomo höflich. »Ist jemand da drin?«, fragte er dann und deutete auf die Tür.
    »Nur die Leiche.«
    »Wer hat sie gefunden?«
    »Ich«, sagte Agostini und trat einen Schritt vor. »Ich hatte meine Garderobe verlassen, weil ich einen Zigarillo rauchen, aber niemanden damit belästigen wollte. Ich habe mich verlaufen und verschiedene Türen geöffnet, weil ich hoffte, dass eine davon wieder zu den Garderoben zurückführt, und so kam ich in diesen Raum – und sah sie da auf dem Flügel liegen.«
    »Haben Sie etwas angefasst?«
    »Nur die Tür. Sie war zu, als ich kam, und als ich Hilfe holen ging, habe ich sie wieder hinter mir geschlossen.«
    »Sind Sie der Einzige, der in dem Raum war, seit Sie die Leiche gefunden haben?«
    »Soweit ich weiß, ja«, erwiderte Agostini.
    »Erzählen Sie mir genau, was Sie gemacht haben, als Sie eintraten und die Leiche fanden.«
    »Ich habe die Tür geöffnet, und da das Licht an war, habe ich sie sofort gesehen, sie lag auf dem Flügel. Ich bin hingegangen und habe gesehen, dass sie nicht atmete.«
    »Haben Sie die Leiche berührt?«, unterbrach Perdomo ihn besorgt.
    »Nein, Señor, aber es war offensichtlich, dass sie nicht atmete: Die Brust hob und senkte sich nicht. Mir war sofort klar, dass sie ermordet worden war.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Perdomo. »Es könnte doch auch ein Unfall gewesen sein.«
    »Wenn Sie die Leiche sehen, werden Sie es verstehen«, sagte der Dirigent mit leiser Stimme.
    Perdomo öffnete die Tür, die sich an einer Seite des Raums befand, und trat ein.
    Zu seiner Linken sah er sechs Stuhlreihen auf ansteigenden Rängen, die für den Chor bestimmt waren. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die Sitzplätze für das Publikum, und in der Mitte stand auf einer großen Holzbühne ein Flügel mit geschlossenem Deckel; daneben eine kleinere Plattform mit Notenständer und einem hohen Stuhl für den Chorleiter.
    Und auf dem Flügel lag Ane Larrazábal, leblos, auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet; die Füße wiesen zur Tastatur.
    Sie hatte einen Schuh verloren; er lag neben einem der Beine des Klavierhockers. Ihr Gesicht hatte sich, typisch für Erdrosselungen, bläulich verfärbt, und die Augen waren weit aufgerissen und halb aus den Höhlen getreten – ein schrecklicher Anblick. Die Lippen waren gerötet und wirkten wie aus Papier, und auf der Unterlippe waren in der Nähe des Mundwinkels eine Hautabschürfung und darauf der Abdruck zweier Zähne zu sehen.
    Auf die Brust, von der dank des großzügigen Dekolletés ziemlich viel sichtbar war, hatte jemand in arabischen Schriftzeichen mit Blut geschrieben:

    Ane Larrazábal war ganz offensichtlich nicht wiederzubeleben, doch der Inspector wollte völlig sichergehen, dass die Geigerin wirklich tot war. Da er keine Latexhandschuhe bei sich hatte, die Leiche aber nicht mit den Fingern berühren wollte, holte er das Programmheft aus der Tasche und rollte es zusammen. Dann setzte er das eine Ende auf die Brust des Opfers und hielt sein Ohr ans andere Ende, um die Brust nach einem etwa noch vorhandenen Herzschlag abzuhorchen. Das Herz hatte ohne jeden Zweifel zu schlagen aufgehört. Als Nächstes holte Perdomo einen Kugelschreiber aus der Innentasche seiner Jacke und untersuchte damit Larrazábals rechte Hand: Der Mörder hatte seinem Opfer einen tiefen Schnitt in den Daumen versetzt und so das Blut gewonnen, das er als Tinte verwendet hatte.
    Die Posaunistin und die beiden Dirigenten hatten den Inspector bis zum Flügel begleitet und verfolgten in respektvollem Schweigen jede seiner Bewegungen, als wären sie Medizinstudenten im ersten Jahr, die am Anatomieunterricht teilnehmen. Rescaglio hingegen war auf dem Korridor geblieben.
    Außer Blut entdeckte Perdomo an der rechten Hand auch Reste einer rötlichen Substanz, die er sofort als Kolophonium erkannte. Gregorio hatte ihm schon unzählige Male erklärt, dass jeder Geiger seinen Bogen immer wieder mit diesem Harz bestreichen muss, damit die Rosshaare des Bogens die Saiten erklingen lassen.
    Dann fiel Perdomo auf, dass Larrazábals Geige nirgendwo zu sehen war. Als er die übrigen Anwesenden darauf ansprach, erklärte Elena Calderón, die den Verbrechensschauplatz offensichtlich so schnell wie möglich verlassen wollte: »Die ist
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