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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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Geige dabeihatte? Warum hat sie die nicht in ihrer Garderobe eingeschlossen?«, wandte Roberto Clemente ein.
    »Rescaglio hat sie dazu gezwungen, indem er den Schlüssel der Garderobe an sich nahm, als er vor dem Konzert bei ihr war. Er muss den Schlüssel auf dem kleinen versilberten Tablett gesehen haben, das auf dem Tischchen lag. Er hat Larrazábal gesagt, einer der Kontrabassisten wolle ein Autogramm von ihr auf der Partitur, die er mitgebracht hatte. Da sie durch das Gespräch mit Agostini abgelenkt war, hat Rescaglio ihr die Partitur einfach auf den Tisch gelegt, damit sie sie später unterzeichnen konnte. Dabei hat er dann wohl den Schlüssel an sich genommen und konnte dadurch sicher sein, dass Larrazábal mit der Geige in den Chorsaal kommen würde, denn in der nicht abgeschlossenen Garderobe konnte sie sie ja nicht lassen.«
    Natalia und Roberto hatten seit Lupots Tod keine anderen Informationen über den Fall erhalten als die, welche sie den Medien entnommen hatten. Sie hörten Perdomo daher aufmerksam zu und unterbrachen ihn nur hin und wieder, um sich etwas genauer erklären zu lassen.
    »Warum hat er sie im Auditorio ermordet?«, fragte Natalia. »Warum dieses ungeheure Risiko eingehen, obwohl er sie genauso gut irgendwo anders hätte töten können?«
    »Rescaglio musste sie an diesem Abend töten, weil Larrazábal mitten in einer Tournee war und Madrid am nächsten Tag schon wieder verlassen hätte. Die ersten Krankheitssymptome waren bereits aufgetreten – ihr Auge hatte verrücktgespielt, Gegenstände waren ihr aus der Hand gefallen –, und er hatte es eilig, sie zu töten, damit der Rechtsmediziner bei der Autopsie nicht nach Anzeichen für multiple Sklerose sucht. Das Auditorio war der ideale Tatort, denn Larrazábal hatte die Geige dabei, die der Lohn war, den Rescaglio Roskopf dafür versprochen hatte, dass er sie ermordete. Außerdem wollte Rescaglio, dass die Polizei das Verbrechen al-Qaida zuschreibt – dass wir glauben, die Fundamentalisten wollten mehr Öffentlichkeit. Um mit dem Verbrechen einen möglichst großen Widerhall in den Medien zu erzeugen, war das Auditorio als Tatort absolut plausibel, es wäre wie ein Resonanzkörper für die Nachricht gewesen.«
    Auf dem Rückweg zum Auditorio erfuhr auch Gregorio aus der Unterhaltung des Geigenbauerehepaars mit seinem Vater, woher Ane Larrazábals Stradivari stammte. Der Maler und Amateurmusiker Pasini hatte an Paganinis sagenhafter Fähigkeit gezweifelt, ihm unbekannte Stücke vom Blatt zu spielen. Eines Tages legte er Paganini ein sehr kompliziertes Konzert vor und zeigte ihm das wertvollste Instrument, das er besaß: eine Stradivari-Geige. Wenn Paganini das Konzert auf Anhieb nach der Partitur spielen könne, gehöre die Geige ihm. Paganini bestand den Test mit Bravour, so dass Pasini nichts anderes übrigblieb, als ihm die Stradivari zu übergeben.
    Dies war die Geige, auf die der Neffe von Monsignore Galvano ein Auge geworfen hatte in der Nacht, in der er mit Caffarelli zu Paganini ging, um ihm die Letzte Ölung zu spenden. Der Fluch, der auf der Geige liegt, wurde zum einen dadurch ausgelöst, dass ihr Eigentümer einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte und ohne Beichte gestorben war, und zum anderen dadurch, dass die Geige ihrem rechtmäßigen Eigentümer von einem Lump gestohlen wurde, der ebenso verdammt war wie Paganini selbst: In Nizza ging das Gerücht, der niederträchtige Paolo habe einen Schankwirt im Hafen von Nizza tödlich verwundet, nachdem er dessen Frau verführt hatte. Die Stradivari Pasini war somit ein Gegenstand, den ein Mörder dem anderen gestohlen hatte – wenn die Legende zutrifft, hatte Paganini ja irgendwann eine seiner Geliebten mit einem Rivalen überrascht und beide getötet. Danach soll Paganini die Frau ausgeweidet und aus ihren Därmen einen Satz Saiten für seine Geige angefertigt haben. Dieses Instrument verströmte Bosheit aus sämtlichen Poren seines unheilvollen Holzes, es war geradezu mit Bösartigkeit aufgeladen und hatte bisher das Leben noch jedes seiner Besitzer vergiftet, von dem Moment an, in dem Paganini es mit den Gedärmen jener unglücklichen Frau bespannt hatte.
    Seine Opfer summierten sich bis jetzt auf mehr als ein Dutzend, wenn auch die Französin Ginette Neveu und die Spanierin Ane Larrazábal bisher natürlich die berühmtesten waren. Doch vor ihnen hatte jenes verderbte Instrument schon dem Leben von Kindern, Kranken und alten Menschen ein Ende gesetzt, denn nachdem der
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