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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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er, legte die Lesegläser weg und erhob sich. »So weit wird es gewiss nicht kommen.«
    Agnes war aufgesprungen. Als er um den Schreibtisch herum auf sie zuging, erfasste sie seine Hände. »Ihr werdet mir helfen, Mathis, nicht wahr? Ich kann mich doch auf Euch verlassen?«
    Nun hatte sie ihn beim Vornamen genannt. Er zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln, um seine Verlegenheit nicht zu zeigen. »Es sind immerhin noch drei Wochen bis zur Verhandlung. Ich werde mich melden.«
    Doch sie wollte seine Hände nicht loslassen, hielt sich an ihnen fest wie eine Ertrinkende. »Ich habe doch niemanden«, flüsterte sie mit feuchten Augen.
    »Es wird sich alles finden«, murmelte er und fasste sie sanft am Ellbogen, um sie hinauszugeleiten.

    »Ihr wart wenig entgegenkommend, Meister«, sagte Augustin, nachdem Agnes Imhoff gegangen war. Von Homburg saß wie üblich hinter seinem Schreibtisch verschanzt und spielte mit den Augengläsern.
    »Sie hat also Eindruck auf dich gemacht«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Wem würde sie nicht gefallen, Meister?«, grinste Augustin.
    »Ja, sie hat ihre Bewunderer, denke ich«, brummte Mathis. »Mir ist sie allerdings zu eitel. Sollte sich züchtiger kleiden. Von einer verwitweten Frau wird Bescheidenheit erwartet.«
    »Ach Meister. Ich kann nicht glauben, dass Euch der Anblick einer schönen Frau so völlig kalt lässt.«
    Mathis konnte sich für einen winzigen Augenblick ein kleines Lächeln nicht verkneifen, aber gleich runzelte er wieder die Stirn und blickte Augustin streng an. »Für uns ist sie keine Frau, sondern eine potentielle Mandantin. Ein bisschen Respekt, junger Mann. Und wir lassen uns nicht von Gefühlen leiten.«
    »Ja, Meister.«
    Manchmal fand von Homburg den Jungen etwas zu zwanglos und für sein Alter reichlich selbstbewusst. Außerdem legte er zu viel Wert auf seine äußere Erscheinung. Trug die Haare zu lang und war immer nach der neuesten Mode gekleidet, etwas, das Mathis verachtete. Woher der Bursche das Geld hernahm, war ihm ein Rätsel, schließlich zahlte er ihm kaum mehr als einen Hungerlohn.
    Augustin von Küffen stammte zwar aus einer angesehenen Anwaltsfamilie, aber die Eltern waren beide vor etwa zwei Jahren verstorben. Sein Onkel hatte sich mit allerlei Winkelzügen das Familienvermögen unter den Nagel gerissen und den Neffen mittellos seinem Schicksal überlassen. Mathis, der mit Augustins Vater gut befreundet gewesen war, hatte sich seiner erbarmt und bei der Witwe eine Dachkammer für ihn gemietet. Und zu seiner Überraschung hatte sich Augustin vom anfänglichen Botenjungen zum fast unersetzlichen Gehilfen gemausert.
    Mathis klemmte sich die Augengläser auf die Nase und studierte noch einmal die Klageschrift, die Agnes zurückgelassen hatte.
    »Flandrisches Tuch. Ich wette, das war wieder so ein Imhoff’scher Schelmenstreich«, sagte er. »Wäre nicht das erste Mal. Ich habe schon lange darauf gewartet, dass es ein böses Ende nimmt.«
    Er fluchte, als ihm die Gläser von der Nase unter den Schreibtisch fielen. Er hatte mal wieder vergessen, sie sich um den Hals zu hängen.
    Augustin bückte sich und reichte sie ihm.
    »Habt Ihr nicht oft bei ihnen verkehrt?«
    »Natürlich. Der Mann war mit dem halben Stadtrat befreundet, und auf seinen Festen gingen die Hohen Herren ein und aus. Sollte ich solche Einladungen ausschlagen?«
    »Dann werdet Ihr Frau Imhoff also vertreten.«
    »Ich weiß nicht. Ein schwieriger Fall.«
    »Aber sie hat doch nichts zu befürchten. Die Sache ist eindeutig.«
    Mathis blickte erstaunt auf. »Aha, mein junger Meister Advokat«, sagte er spöttisch. »Vielleicht solltest du sie vertreten. Dann kann ich mir die Mühe sparen.«
    »Aber Meister, für die Schulden ihres Mannes kann eine Ehefrau doch nicht belangt werden.«
    »Und woher weiß der Herr das?«
    »Ich studiere die Gesetzestexte, wenn Ihr bei Gericht seid.« Er sagte das ohne die geringste Verlegenheit.
    »So ist das also«, murrte Mathis. »Anstatt dich um mein Archiv zu kümmern, wie es dir befohlen ist.« Er deutete auf den Stapel Akten, der immer noch seinen Schreibtisch zierte. »Das kannst du gleich wegbringen.«
    »Aber es stimmt doch, was ich sage. Ich habe erst vor kurzem die Abschrift eines Gutachtens darüber gelesen. Bei uns im Archiv. Bezieht sich auf römisches Recht. Ein Senatsbeschluss aus dem Jahre 46. Danach ist es Frauen sogar untersagt, für ihre Ehemänner Bürgschaften einzugehen.«
    »Nun ja. Solange die Imhoff nicht als
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