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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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denn?«
    Dr. Hauser bedachte Mathis mit einem strengen Blick, denn der beißende Spott war ihm nicht entgangen. »Um die des Deutschen Reiches«, sagte er würdevoll. »Auf Wunsch von höchster Stelle. Genügt Euch das?«
    Mathis saß lange verdutzt auf seinem Stuhl und dachte nach. Dann erhob er sich. »Es tut mir leid«, sagte er leise. »Dazu gebe ich mich nicht her.«
    Hausers linke Hand spielte ohne Unterlass mit dem richterlichen Siegelring an seinem Finger.
    »Oh, ich glaube schon, mein Guter«, entgegnete er kühl. »Setzt Euch wieder hin. Wir sind noch nicht fertig.« Er nahm einen Schluck Wein und schmatzte ein wenig mit den Lippen. »Ein feines Tröpfchen, findet Ihr nicht?«
    Mathis war trotzig entschlossen, stehen zu bleiben.
    »Was Ihr verlangt, ist gegen geltendes Recht. Der Anspruch gegen Frau Imhoffs Besitz ist ungültig. Sie wird ohne Zweifel den Prozess gewinnen.«
    »Warum wollt Ihr sie dann nicht vertreten?«
    »Ich habe … persönliche Gründe.«
    Stumm blickte Mathis dem Richter in die Augen, als wollte er sagen, das ginge ihn zum Teufel nichts an.
    Hauser lächelte dünn. »Wie dem auch sei, Ihr werdet mir helfen, die Sache zu meiner Zufriedenheit abzuschließen. Natürlich bleibt diese kleine Absprache unter uns, wir verstehen uns, nicht wahr?«
    »Und wenn ich mich weigere?«
    Es war unerträglich heiß im Raum, und Mathis spürte, wie sich Schweiß auf seiner Stirn bildete. Richter Hauser starrte ihn aus kalten Augen an. Wie der Habicht seine Beute, dachte Mathis.
    »Das würde Euch schlecht bekommen, denn ich weiß sehr wohl, mit welchem ketzerischen Gesindel Ihr Euch abgebt. Der Erzbischof und die Heilige Inquisition würden sich ein Fest daraus machen. Mit einem Freudenfeuer als Abschluss sozusagen.« Er lachte herzlich über seinen kleinen Scherz.
    Von Homburgs Herz krampfte sich in der Brust zusammen, und es war ihm einen Augenblick lang, als könnte er nicht atmen. In grellen Farben sah er die zuckenden Flammen des Scheiterhaufens vor sich. Jesses Maria! Bevor ihm die Knie den Dienst versagten, ließ er sich in den Stuhl fallen.
    »Mir persönlich ist es gleich, mit wem Ihr Eure Abende verbringt«, hörte er Hauser wie aus weiter Ferne sagen. »Und wenn wir uns in dieser Sache verstehen, soll es Euer Schaden nicht sein.«

    Agnes Imhoff war sichtlich erfreut darüber gewesen, dass er sie vertreten würde.
    »Ich bin Euch so dankbar, Meister von Homburg«, hatte sie gesagt und lange seine Hand gedrückt. »Nun ist mir nicht mehr bange.«
    Eiligst hatte er sich davongemacht. Wie ein Schuft war er sich vorgekommen. Auch wenn er Zweifel bezüglich Agnes’ Unschuld hegte, war es mit seiner Berufsehre unvereinbar, ein solch schändliches Spiel mit ihr zu treiben. Er wusste nicht, wen er mehr hasste, den
Kardinal
oder sich selbst.
    Die nächsten Tage hatte er in übelster Laune mit der Vorbereitung zweier weiterer Prozesse verbracht, Augustin hin und her gescheucht und die beiden Schreiber mit Diktaten, kleinlichen Berichtigungen und Neuabschriften schier zur Verzweiflung getrieben.
    Schließlich graute kalt und verhangen der erste Prozesstag. Dünne Nebelschlieren krochen vom Fluss herauf und erste Schneeflocken trieben durch die Gassen, sammelten sich in windgeschützten Ecken, um bei zunehmendem Tageslicht zu zerfließen und in Pfützen überzugehen.
    Es war der zwölfte Tag des Monats November, und von Homburg schritt eilig, dick in Schal und Schaube gehüllt, auf seine Kanzlei zu. In der Spornmachergasse kreuzte ein halbes Dutzend Berittener seinen Weg. Helme und Brustpanzer glänzten feucht im fahlen Licht, und an ihren Abzeichen und Wimpeln erkannte Mathis sie als Soldaten der erzbischöflichen Leibgarde. Ein Anblick, der ihn neuerdings beunruhigte. Er versuchte, die Beklemmung zu verscheuchen und seine Gedanken auf das bevorstehende Verfahren zu lenken.
    Ganz Köln schien dieser Tage nichts Besseres im Sinn zu haben, als über den vermaledeiten Prozess zu tratschen. Um Unsummen von Geld ginge es, wurde geflüstert, um schnöden Betrug, vielleicht sogar um Mord. Und Meinungen gab es so viele wie Klatschmäuler. Dieser hochmütigen Imhoff geschähe es nur recht, sagten die einen. Eine arme Witwe vor Gericht zu zerren, darüber entrüsteten sich andere. Überhaupt, was diesem Engländer einfiel, brave Kölner Bürger zu verklagen. Dazu das hartnäckige Gerücht eines flämischen Komplotts. Schließlich wusste jeder, dass alle Flamen Protestanten waren und den Kölnern übel
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