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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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erwischen.«
    Drei Frauen in Ordenstracht kamen ihnen entgegen. Die beiden Männer lüpften höflich ihre Kopfbedeckungen und schwiegen betreten.
    »Jetzt hab dich nicht so«, raunte Magnus, als die frommen Frauen sich entfernt hatten. »Wir müssen zusammenstehen. In allen deutschen Landen. Nur so kann sich die neue Lehre durchsetzen.«
    »Wenn wir nicht alle vorher am Galgen enden«, zischte Mathis ärgerlich zurück.
    Protestantische Eiferer hatten mit Gewalt ganz Münster an sich gebracht. Es herrschte Zügellosigkeit und Vielweiberei. Katholiken wurden vertrieben oder umgebracht. Jan van Leiden, der selbsterklärte König der Wiedertäufer, schlug ihnen auf dem Marktplatz eigenhändig den Kopf ab. Und seit Monaten belagerten bischöfliche Truppen die Stadt. Es konnte nur ein böses Ende nehmen.
    »Ich muss weiter.« Frostig nickte er Magnus zu und eilte davon. Das heutige Treffen war auf jeden Fall zu meiden. Wenn man sie mit so einem Aufrührer ertappte … Nicht auszudenken!

    »Mein lieber von Homburg!«
    Dr. Hieronymus Hauser kam ihm freundlich lächelnd entgegen, nachdem ein ältlicher Diener ihm Barett und Schaube abgenommen hatte.
    »Bei dem Wetter setzen wir uns doch besser ans Feuer.«
    Der Richter führte seinen Gast zu gepolsterten Stühlen, die im Halbkreis um einen kleinen gemauerten Kamin standen, in dem ein Feuer loderte. Kein Wunder, dass es hier so stickig ist, dachte Mathis und nahm Platz.
    »Ihr gönnt Euch doch ein Schlückchen Wein, oder?«
    Hauser trug seinem Diener eine Bestellung auf, ohne auf Mathis’ Antwort zu warten. Händereibend trat er an den Kamin, als wäre ihm kalt.
    Ein kleiner Mann war dieser Richter Hauser, aber drahtig und mit hellwachen braunen Augen. Überhaupt war alles an ihm in dunklen Tönen gehalten, von der Haarfarbe, über die matte Haut bis hin zum hochgeschlossenen, schwarzen Wams und den passenden Kniehosen. Das einzig Auffällige an seiner Person war der große, goldene Siegelring an der rechten Hand, den die Richter der Stadt als Zeichen des kirchlichen und weltlichen Rechts trugen.
    Mathis nahm einen Weinkelch aus der Hand des Dieners entgegen. Ein venezianisches Meisterwerk aus geschliffenem Kristall. Auch nach der Ausstattung des Raumes und den erlesenen Möbeln zu urteilen, schien Hauser ein Freund von Bequemlichkeit und verschwenderischer Fülle zu sein. Lebte dieser Mann über seine Verhältnisse?
    »Auf Euer Wohl.« Der Richter lächelte ihm zu, worauf sich beide einen Schluck genehmigten.
    Von Homburg war entschlossen, wachsam zu bleiben, denn Hausers umgängliche Art hatte schon manchen unbedarften Anwalt aufs Glatteis geführt. Sein Verstand war so scharf und giftig wie der Dolch eines Borgias. Nannten sie ihn deshalb nicht den »Kardinal«? Oder war es wegen seines heiligen Namenvetters, des Verfassers der
Vulgata
, der ersten lateinischen Bibel? Bei dem Gedanken an Bibelübersetzungen fühlte Mathis sich auf einmal unwohl in seiner Haut.
    »Schön, dass wir wieder einmal das Vergnügen haben, gemeinsam für die Gerechtigkeit zu wirken«, eröffnete Hauser das Gespräch und schenkte ihm ein weiteres, warmes Lächeln.
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Der Fall Imhoff. Ich gehe davon aus, dass Ihr die Dame vertreten werdet. Andreas Imhoff war doch Euer Mandant.«
    »Ich hatte im Gegenteil vor, den Fall abzugeben.«
    Hausers Lächeln kühlte sich merklich ab. »Es wird Euch bekannt sein, dass Andreas Imhoff kurz vor seinem Ableben den gesamten Besitz seiner Gemahlin Agnes überschrieben hat.«
    »Ich selbst habe die Dokumente aufgesetzt.«
    Hauser nickte verdrossen. »Ihr wisst so gut wie ich, dass diese vermaledeite Praxis überhandgenommen hat. Fast immer in betrügerischer Absicht, um sich Verpflichtungen zu entziehen.«
    »Das muss das Gerichtsverfahren ergeben.«
    »Ganz recht. Und das Verfahren Charman versus Imhoff bietet dazu eine ausgezeichnete Gelegenheit. Deshalb brauche ich Euch, denn kein anderer Anwalt kennt die Verhältnisse der Imhoffs so gut wie Ihr.«
    Mathis bedachte den Richter mit einem misstrauischen Blick. »Ich kann wohl kaum aussagen … die Schweigepflicht.«
    »Das weiß ich doch selber.« Dr. Hauser warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. »Nein, nein. Ihr sollt die Imhoff ganz ordentlich vertreten. Mit einem kleinen Unterschied: Die Gerechtigkeit verlangt, dass wir endlich diesem Treiben ein Ende bereiten und ein Exempel statuieren.«
    »An Agnes Imhoff.«
    »So ist es.«
    »Um wessen Gerechtigkeit handelt es sich
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