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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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eigenständige Geschäftsfrau handelte, hat sie nichts zu befürchten.«
    »Soll ich schon mal die Akte für den Fall anlegen?«
    Von Homburg betrachtete eingehend seine Fingernägel durch die Lesegläser. »Nein«, sagte er. »Ich werde sie nicht vertreten.«
    »Aber warum um Himmels willen nicht?«
    »In Wahrheit habe ich mich schon viel zu lange mit Andreas Imhoffs undurchsichtigen Geschäften herumgeplagt. Irgendwann macht man sich selbst dabei die Finger schmutzig. Wir werden uns diesmal heraushalten.«
    Augustin sprang auf. »Aber sie ist nur eine Frau. Sie hat nichts mit den Geschäften ihres Mannes zu tun und sie braucht Hilfe. Ihr habt es doch gehört.«
    »Dein Mitgefühl ehrt dich, Augustin. Obwohl man sich fragen muss, ob du genauso mitfühlend wärest, wenn sie weniger ansehnlich wäre. Aber glaub mir, so unschuldig kann sie nicht sein. Hast du nicht gesehen, wie sie sich gewunden hat, als ich den Tod ihres Mannes ansprach? Ich glaube nicht an einen Unfall. Hier geht es um mehr als Betrug. Dieser Fall ist wie ein Stein, den man besser nicht umdrehen sollte. Zu viele hässliche Würmer könnten sich darunter verbergen.«
    »Aber …«
    »Gleich morgen werde ich mit Ruprecht Balthasar sprechen. Ein guter Anwalt. Er hat in letzter Zeit ein wenig Pech gehabt. Er wird sich gern um die Sache kümmern. So, und nun geh und hol mir die Akte der Familie Altentorf. Wir können nicht den ganzen Tag vertrödeln.«
    Augustin öffnete den Mund zum Widerspruch, enthielt sich jedoch einer Antwort, lud sich stattdessen den Stapel Akten auf den Arm und verließ mit steifem Rücken die Stube. Nur die Tür schloss er lauter als gewöhnlich.
    Mathis lächelte über diesen Abgang. Natürlich würde sich der Junge mit seinen achtzehn Jahren noch gründlich die Hörner abstoßen müssen, aber man konnte schon erkennen, dass etwas aus ihm werden würde. Und falls er sich für den Anwaltsberuf entschlösse, würde Mathis ihn unterstützen.
    Wenig später reichte ihm Augustin die angeforderte Akte herein. »Ein Bote von Dr. Hauser war gerade hier«, murmelte er etwas widerwillig.
    »Und?«
    »Er bittet Euch, bei ihm vorzusprechen. Es sei ungeheuer dringend.«
    Von Homburgs Gesicht legte sich in Falten.
    »Teufel noch eins«, knurrte er. »Wieso meinen die Herren Richter, sie können unsereins herumkommandieren, wie es ihnen beliebt?« Zähneknirschend kam er auf die Füße. »Der Hauser verhandelt den Fall Charman gegen Imhoff. Wenn der mich plötzlich sprechen will, hat das nichts Gutes zu bedeuten.«

KAPITEL 2

Oktober 1534 – 12. 11. 1534

    Erster Verhandlungstag

    V on Homburg hatte sich die Schaube übergeworfen und eilte nun missmutig durch die Gassen, das Barett gegen den erneuten Nieselregen tief ins Gesicht gezogen.
    Statt in einer warmen Gaststube beim Mittagsmahl zu sitzen, musste er durch halb Köln hetzen. Zum Henker mit dem Mann, aber es half nichts. Einen Vorsitzenden des Ratsgerichts durfte man nicht warten zu lassen.
    Trotz des ungemütlichen Wetters war die Stadt belebt, und als er durch die Spornmachergasse schritt, fasste ihn jemand am Ärmel.
    »Ach, du bist es«, sagte er ein wenig ungehalten, als er Magnus Hansen, den beleibten Fellhändler, erkannte. »Ich habe es eilig.«
    »Das sehe ich«, erwiderte Magnus behäbig. Der Mann trug seinen Bauch wie ein Aushängeschild biederen Wohlstands vor sich her. »Sehen wir uns heute Abend?« Hansen beugte sich vor, und Mathis konnte Bierdunst in seinem Atem riechen. »Unser übliches Treffen. Du warst schon lange nicht mehr bei uns, Bruder.«
    »Nicht auf offener Straße«, flüsterte Mathis und sah sich ängstlich um. »Und nenn mich nicht Bruder.«
    »Heute lesen wir aus der neuen Bibel.« Magnus zwinkerte ihm fröhlich zu.
    »Ist das Alte Testament denn auch schon übersetzt?«
    »Voll und ganz.«
    »Wie seid ihr daran gekommen?«
    »Elmer ist gerade aus Sachsen zurückgekehrt. Da kann man sie kaufen. Druckfrisch, sag ich dir.«
    Luthers Neues Testament war schon vor zwölf Jahren erschienen, und auch Mathis besaß eine der verbotenen Ausgaben. Der Wunsch, endlich eine vollständige Bibel in deutscher Sprache in der Hand zu halten, war auch in ihm übermächtig.
    »Noch etwas«, raunte Magnus Hansen hinter vorgehaltener Hand. »Heute ist ein Prediger aus Münster dabei. Du musst unbedingt kommen.«
    Mathis erschrak. »Seid ihr des Wahnsinns?« Mühsam versuchte er, seine Stimme leise zu halten. »Du weißt doch, was sie mit denen machen, die sie
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