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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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das Tüchlein umkrampft hielten. Angespannt saß sie da, leicht vorgebeugt, als wagte sie nicht, sich anzulehnen.
    »Eine ungewöhnlich hohe Summe«, ließ Mathis nach einer Weile vernehmen. Er steckte sich noch einmal die Lesegläser auf die Nase und studierte die Klageschrift. »Zweihundertachtzig Kölnische Mark Silber. Und alles in einer einzigen Bestellung. Wollte Andreas ganz Köln mit flandrischem Tuch ausstatten?« Den spöttischen Unterton hatte er sich nicht verkneifen können.
    »Ich weiß es nicht«, hauchte sie.
    Er deutete auf das Dokument. »Hier wird behauptet, die Ware sei keineswegs verdorben gewesen. Solches sei von Andreas nur vorgetäuscht worden. Außerdem habe er vor dem Rücktransport die flandrische Ware gegen schäbiges Tuch vertauscht. Stimmt das?«
    »Wie soll ich das wissen, Meister Mathis?«
    »Habt Ihr die Lager durchsucht?«
    »Es ist nichts da, außer einem Kästchen mit billigem Bernsteinschmuck, einigen Ballen Wolle und einer großen Fuhre Holz aus Schweden.«
    »Kein Tuch?«
    »Nichts dergleichen.«
    »Könnte er es weiterverkauft haben?«
    Sie zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Hatte er kürzlich Umgang mit einem ortsfremden Kaufmann? Hat er nichts erzählt? Von einem großen Geschäft geredet?«
    »Ich habe mich nie um Andreas’ Geschäfte gekümmert.«
    Mathis schwieg einen Augenblick und dachte nach. Es war still in der Stube. Nur Augustins Federkiel war zu hören.
    Agnes richtete sich plötzlich auf. »Was wollen die denn von mir? Andreas ist tot, und ich habe das Geld nicht.« Sie holte tief Luft, als ob ihr jemand die Kehle zuschnürte, was Mathis ungewollt dazu verführte, erneut auf ihren üppigen Busen zu starren. Rasch zwang er den Blick auf ihr Gesicht.
    »Aber Ihr habt den Schuldschein mit unterschrieben.«
    »Das habe ich immer getan. Andreas wollte es so.«
    »Ihr müsst doch an seinen Geschäften beteiligt gewesen sein, wenn ihr regelmäßig unterschrieben habt. Warum sollte man das sonst tun?«
    Agnes rang die Hände. »Nein. Ich schwöre es!« Es klang wie die Stimme eines gequälten Kindes. Aber dann fasste sie sich wieder. »Ich habe nichts damit zu tun«, sagte sie mit neuer Festigkeit. »In seine Geschäfte habe ich mich nie eingemischt. Außerdem war er mir gegenüber immer sehr verschwiegen. Frauen seien zu dumm fürs Geschäft.«
    Als Mathis sie prüfend ansah, widerstand sie seinem Blick. Weit aufgerissene, hellbraune Augen starrten ihn an. Ihr Kinn war angehoben, die vollen Lippen fast trotzig geschürzt. Da war ein kleines Mal über ihrer rechten Oberlippe, das er bisher nicht bemerkt hatte.
    Er wandte den Blick von ihr ab und sah aus dem Fenster. Ob sie wohl log? Unwahrscheinlich, dass Andreas seiner Frau nicht davon erzählt hatte. Immerhin handelte es sich um einen sehr großen Auftrag. Andererseits, seine Geschäfte waren oft undurchsichtig und bei Gott nicht immer sauber gewesen. Und seine geringschätzige Meinung von Weibern war allgemein bekannt.
    »Hat sich eigentlich Näheres über den Tod Eures Gemahls ergeben?«, wandte er sich erneut an sie.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ein Unfall, wie es aussieht.«
    Andreas’ Tod schien sie nicht sonderlich zu berühren.
    »Er soll in den Rhein gefallen sein?«, fragte er etwas schärfer als beabsichtigt. »Einfach so?«
    Bei seinen Worten breitete sich ein Anflug von Röte über ihr Gesicht. »Andreas hat gern getrunken.«
    »Nur gut, dass er Euch noch kurz zuvor die Häuser überschrieben hat«, meinte er trocken.
    Dabei handelte es sich um das Imhoff’sche Wohnhaus, ein schönes Bürgerhaus in guter Lage. Das war gewiss Einiges wert. Dazu das Gasthaus
Zum kleinen Ochsen,
von dessen Pacht sie lebte.
    »Was geschieht jetzt?«, fragte sie atemlos wie ein flüchtiges Reh.
    »Charman wird versuchen, sich das Geld bei Euch zu holen. Und wenn Ihr nicht zahlen könnt, wird er die Häuser pfänden wollen.«
    »Oh, mein Gott«, rief sie und legte die Hände vor den Mund. Sie war plötzlich weiß wie ein Laken geworden. »Das ist alles, was ich besitze. Wo soll ich wohnen, wovon leben? Ich habe ein Kind. Wie soll ich es ernähren?«
    Ihre Worte bestätigten seinen Verdacht. Vom Imhoff’schen Vermögen war nichts mehr vorhanden. Nach einer Pfändung würde sie womöglich mittellos sein. Dass Andreas irgendwo noch weitere Reichtümer versteckt haben könnte, bezweifelte Mathis. Er konnte nicht umhin, an die teure Mitgift seiner Töchter zu denken. Dies war kein Fall, an dem sich verdienen ließ.
    »Nun«, sagte
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