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Die vier Söhne des Doktor March

Die vier Söhne des Doktor March

Titel: Die vier Söhne des Doktor March
Autoren: Brigitte Aubert
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Wer du auch bist, solltest du gerade dabeisein, dies hier zu lesen, dann sieh dich vor. Sieh dich vor, weil ich dich kriege.
    Mein liebes, kleines Tagebuch, es würde dir nicht gefallen, daß man dich ohne meine Erlaubnis liest, daß man mit Fingern über deine Tinte und dein Papier streicht, daß man mit schmutzigen Händen die Spuren liebkost, die ich in dir hinterlasse. Mein liebes, kleines Tagebuch, ich drücke dich ganz fest an mich, an meinen … Niemand wird dich berühren.
    Ich bin heute zufrieden, ich bin sehr zufrieden. Ich habe die Axt in die Garage geräumt, sie ist sauber, sie glänzt.
    Alle hier im Viertel flennen. Sie sagen, daß es ein Triebverbrechen sei. Als sie tot war, habe ich ihr den Stiel von der Axt reingesteckt und kräftig gestoßen, so tief ich konnte.
    Vielleicht schaut dir jemand über die Schulter, wenn du dies liest. Vielleicht bin ich da, und vielleicht schneide ich dir die Kehle durch. Ha, ha, ha!
    Heute nacht, als ich in den Garten kam, sah ich Jeanie am Fenster stehn. Immer die Nase dort, wo sie nicht hingehört, nicht wahr, Jeanie?
    Bei der Kleinen habe ich ganz vorsichtig am Fenster gekratzt. Sie stand auf und kam, mit strahlenden Augen. Sie wackelte mit ihren Brüsten vor meiner Nase herum, in ihrem kleinen Nachthemdchen.
    Mama hat uns schöne, marineblaue Blazer mit goldenen Knöpfen geschenkt. Jack hat Klavier gespielt, wir haben geklatscht.
    Wir haben Happy Birthday to us gesungen, und ich habe an Karen gedacht. Als die Kerzen ausgingen, habe ich meine Entscheidung gefaßt.
    Ich bin wirklich nicht glücklich bei dem Gedanken, daß jemand meine Notizen lesen könnte.
    Jeanies Tagebuch
    Die Polizei ist wiedergekommen. Sie haben alle noch einmal befragt, auch mich. Ich glaube, sie verheddern sich. Karens Mutter hört nicht auf zu weinen, ihre Nachbarin geht für sie einkaufen. Ich, ich weine nicht, meine Augen haben keine Tränen mehr. Seit mindestens zehn Jahren weine ich nicht mehr.
    Heute morgen, beim Kartoffelschälen, habe ich versucht nachzudenken. Ich verstehe nicht, wie er erraten konnte, daß ich diese Schweinereien gelesen habe, die er sein »Tagebuch« nennt. Wenn ich mir vorstelle, daß er sich damit . Soll ich das weiter lesen? Ich kann nicht hierbleiben, ohne zu wissen, was er vorbereitet. Andererseits kann ich sowieso nichts tun, ob ich es nun weiß oder nicht.
    Heute habe ich keinen Tropfen getrunken. Meine Hände zittern. Ich lese noch einmal das Tagebuch und habe den Eindruck, ich bin verrückt. Wenn ich diese Aufzeichnungen mitnehmen könnte, um sie zu kopieren. Wie dumm ich bin! Ich muß ja nur in ihren Sachen nachsehen und schauen, welcher von ihnen die gleiche Schrift hat. Jeanie, meine Gute, du übertriffst dich selbst, wenn du nur willst! Aber wenn er dich in seinen Sachen herumstöbern sieht. Und selbst wenn, was wäre dann? Zur Polizei gehen mit den Aufzeichnungen und einer Schriftprobe ( »Schriftprobe«, das klingt richtig schick, Jeanie). Nur, wenn ich zur Polizei gehe, werde ich meine zwei Jahre ausbaden müssen, und das, das will ich nicht, ich will nicht dorthin zurück. Lieber lasse ich zu, daß unschuldige Kinder abgestochen werden.
    Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Angst, im Zimmer nachzusehen, weil er mich sicherlich beobachtet. Zwei Jahre Minimum: Die alte Ziege von Ficks wird schon dafür sorgen, daß ich soviel wie möglich absitze, und mit meinem Führungszeugnis. Ich könnte vielleicht alles mit der Post schicken.
    Jemand steht vor meiner Tür. Ich bin ganz sicher. Ich höre jemanden atmen. Ich höre jemanden vor meiner Tür atmen. Sie ist abgeschlossen, ich bin nicht in Gefahr. Jetzt höre ich nichts mehr, vielleicht habe ich geträumt. Wo kann ich nur dieses Heft verstecken? Ich muß ein neues Versteck finden.
    Morgen ist Karens Beerdigung.
    Tagebuch des Mörders
    Heute waren wir auf der Beerdigung. Sogar Mama ist mitgekommen. Der Friedhof ist ihre einzige Abwechslung, sie vergißt nie, Blumen hinzubringen. Es waren viele Leute da, und alle haben geflennt. Wir trugen unsere neuen, schönen Blazer und Krawatten. Von uns hat keiner geheult, wir sind Männer. Mama stützte sich auf Mark. Clark hat Angina, er hustete ständig, er mußte sogar für einen Augenblick weggehen. Stark starrte seine schmutzigen Schuhe an, und Jack kaute an seinen Fingernägeln. Papa war sehr würdevoll und schön, er hat der ganzen Familie die Hand gedrückt. Sie haben Erde auf den Sarg geworfen. Ich auch. Ich wußte, was da unten war. In welchem
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