Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
ihren Ohren. Sie mußten gegen die Angst ankämpfen, die sich in ihre Herzen schlich. Die Luft schien stillzustehen. Sie drangen in eine Welt ein, die nicht für Menschen bestimmt war. Irgendwo vor ihnen wußten sie Yacub. Beobachtete er sie?
    Er war von Gavanque geflohen, nachdem er die Hexe Gaidel getötet hatte. Mit sich hatte er die Entersegler genommen. Nun fragte sich Gudun, ob diese Flucht nicht etwas ganz anderes gewesen war.
    Hatte er das Nasse Grab aufgesucht, um hier zum Sturm auf Vanga zu rüsten? Hatte er im Nassen Grab eine Armee der Finsternis gewußt, die sich unter seiner Führung dazu anschicken sollte, die Lichtwelt zu ersticken?
    Gudun konnte noch nicht ahnen, wie nahe sie der Wahrheit kam – wenn diese auch ihre Vorstellungskraft bei weitem übertreffen sollte.
    Sie marschierten weiter. Sosona ging vor, näherte sich vorsichtig den oft bis zu fünfzig Schritt langen, tief klaffenden Spalten und suchte in der Tiefe etwas zu erkennen. Und nur versuchen konnte sie es, denn schon nach wenigen Augenblicken mußte sie zurücktreten, wenn die rotbraunen Dämpfe in ihre Nasen stiegen oder in den Augen brannten.
    »Das Geheul kommt aus dem Boden«, sagte sie. »Aber noch nicht von hier. Es wird stärker, je länger wir Yacubs Spuren folgen.«
    Gudun preßte die Lippen aufeinander und winkte den Kriegerinnen.
    Durch Dämpfe und Hitze, über glühenden Stein schritten sie. Gudun versuchte, die Luft anzuhalten, solange sie konnte. Danach jedoch mußte sie um so heftiger einatmen, und der Schmerz drohte ihr die Brust zu zerreißen.
    Plötzlich drangen Trugbilder auf sie ein. Die entsetzten Schreie der Gefährtinnen zeigten ihr, daß es ihnen ebenso erging. Gudun wußte, daß die Trugbilder durch die Dämpfe verursacht wurden. Sie kämpfte mit aller Kraft ihres Willens gegen sie an, doch noch war nicht einmal die Hälfte des Weges durch die Ebene zurückgelegt.
    »Weiter!« hörte sie Gorma schreien. Sie sah sie nicht mehr, hörte nur ihre Stimme. »Laßt euch nicht blenden! Denkt an Zaem und an Burra!«
    Gudun sah überhaupt nichts mehr von ihrer Umgebung. Sie watete auf dem Grund eines Meeres aus Farben, die von heftigen Wirbeln durcheinandergemischt wurden und betörende Formen und Muster bildeten. Etwas machte sie leicht wie eine Feder. Es war, als schwebte sie.
    Im Erkennen der Gefahr schlug Gudun blind mit den Schwertern um sich, bis sie entsetzt begriff, daß sie andere Amazonen treffen konnte, die ebenso wie sie nur das sahen, was ihnen vorgegaukelt wurde.
    Sie blieb stehen. Das eben noch schreckliche Geheul verwandelte sich in berauschende Melodien, ein einziges Locken, und feine, helle Stimmen schienen ihr zuzurufen: » Kommt! Vergiß! Komm und öffne dich für das wahre Leben! «
    »Dämonenwerk!« schrie sie, und der Klang der eigenen Stimme riß sie für Augenblicke aus dem Blendwerk heraus. Sie sah die wallenden Farben und Formen und wußte doch, daß jeder weitere Schritt sie in den sicheren Tod führen konnte. Stand sie schon am Rand einer der bodenlosen Spalten?
    Wo waren die Gefährtinnen?
    So sehr Gudun sich auch anstrengte – sie sah keine der anderen. Sie hörte nicht einmal ihre Schritte. Angst legte sich wie eine Eishand um ihr Herz.
    Da endlich hörte sie Sosonas Rufen:
    »Kommt zu mir! Hört ihr mich, Amazonen? Folgt nur dem Klang meiner. Stimme und schart euch um mich! Ich kann die Trugbilder durchschauen. Kommt!«
    Sie rief weiter. Gudun hörte nun auch wieder andere Stimmen. Langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, ging sie in die Richtung, aus der das Rufen der Hexe kam. Doch sie hatte nicht das Gefühl, sich ihr zu nähern. Einmal klang Sosonas Stimme wie aus unendlich weiter Ferne, dann wieder ganz nah.
    Als Gudun schon glaubte, sich auch das Rufen nur einzubilden, spürte sie eine Hand, die die ihre streifte. Sie erschrak, blieb stehen und streckte blitzschnell den Arm aus.
    Sie konnte die andere in dem Moment sehen, in dem sie sie wieder berührte.
    »Lakti!« rief sie erleichtert aus.
    »Gudun! Du bist da! Dann sind auch die anderen…«
    Gudun spürte eine weitere Berührung. Gormas Gestalt schälte sich aus den Farben, und mit ihr zwei weitere Kriegerinnen, die sich an den Händen gefaßt hielten.
    »Irgendwo direkt vor uns muß Sosona sein«, rief Gorma. »Wir nähern uns ihr aus verschiedenen Richtungen, aber wir kommen zusammen! Weiter!«
    Zwei Amazonen stießen zu ihnen, dann wieder eine, und endlich tauchte auch die Gestalt der Hexe im gelben Mantel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher