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Die Versteckte Stadt: Thriller

Die Versteckte Stadt: Thriller

Titel: Die Versteckte Stadt: Thriller
Autoren: Jonas Winner
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anderer Bücher, Zeitungsartikeln und Protokollen zusammengesetzt war. Max begriff, dass es die Geschichte eines jungen Mädchens war, das von einem Drang geplagt wurde, den ihre Eltern in ihrer Ratlosigkeit und Verzweiflung für eine Besessenheit vom … ja vom Teufel hielten. So dauerte es nicht lange und die Eltern sahen sich gezwungen, einen Priester damit zu beauftragen, sich ihrer Tochter anzunehmen. Max‘ Vater hatte die Ereignisse in der preußischen Provinz des 18. Jahrhunderts angesiedelt und in Passagen, die mehrere Kapitel füllten, haarklein ausgesponnen, wie die Abgesandten der Kirche versuchten, mit Exerzitien dem immer vehementer sich Bahn brechenden Drang des Mädchens beizukommen. Vor allem aufgrund der eingestreuten Abschnitte, die aus der Perspektive des Mädchens selbst geschildert waren, begann Max langsam zu erahnen, um welchen Drang es sich handelte, und zwar um den Drang -
    „Das ist ein Vampirbuch, Mann - hast du noch nie was von Dracula gehört?“
    Till, der neben Max auf dem Bett lag und eben noch in sein eigenes Buch vertieft gewesen war, musste ihm über die Schulter gesehen und neugierig ein paar Zeilen von dem Band, den Max vor der Nase hatte, mitgelesen haben.
    Max warf Till einen Blick zu. Natürlich wusste er, wer Dracula war. Vampire gab es in allen Ausformungen, als gezeichnete Witzfiguren, als Muppet-Puppen, als Filmfiguren in allen erdenklichen Fassungen. Nie hatte er sich dafür interessiert, für ihn war das vielmehr etwas, womit sich seine kleine Schwester Claire beschäftigen könnte. Was ihm jedoch auf den Seiten, die er eben überflogen hatte, entgegengetreten war, hatte mit diesen, ihm bekannten Vampiren, so kam es ihm jedenfalls vor, nicht das Geringste zu tun. Hier ging es nicht um Särge, um Burgen, um Kerzenschein und spitze Zähne, hier ging es um eine seltsame innere und zugleich übermächtige Kraft. Einen „Drang“, wie sein Vater geschrieben hatte, einen „Trieb“, der das Mädchen, von dem das Buch handelte, buchstäblich zu unterjochen schien. Einen Drang, der aus dem Kern ihrer Persönlichkeit erwuchs und zugleich doch ihre Persönlichkeit versklavte. Einen Drang, der ihr eine Anziehungskraft verlieh, die den Priester, der sich um sie kümmern sollte, in schwere Konflikte stürzte. Einen Drang, von dem Max nicht wirklich verstand, was er sich unter ihm vorzustellen hatte, von dem er aber spürte, dass der Grund, weshalb er es nicht genau verstand, darin bestand, dass er dafür noch zu klein war.
    Da Till sich inzwischen wieder seinem eigenen Band zugewandt hatte, warf Max die Vampirgeschichte kurzerhand beiseite und griff sich ein anderes Buch. Auf dem Umschlag war nichts als ein Berg zu erkennen, der sich mit überragender Größe aus einer sandigen Ebene erhob. Die großen Alten hieß das Buch und als Max die ersten Zeilen überflog, war es, als stürzte er in eine kalte, windige Nacht, als hätte es ihn mit einem Mal auf die Ebene verschlagen, die sich vor dem Berg auf dem Cover erstreckte. Eine Ebene, auf der er allein war und auf der seine Einsamkeit etwas Unermessliches bekam, eine Einsamkeit, wie sie empfinden mochte, wer begriff, dass er der einzige Mensch im Universum war, weil alle anderen nur in seiner Phantasie existierten. Der einzige Mensch , aber nicht das einzige Wesen wohlgemerkt, denn in den unendlich entfernten Tiefen der Nacht, die ihn umherrschte, schienen sie zu lauern: Die großen Alten, die im Titel erwähnt wurden, Wesen deren Wirken, deren Gestalt, deren Ziele und Herkunft sein Verstand vielleicht niemals begreifen konnte - es sei denn, sie halfen ihm dabei, indem sie sich für ihn umformten. Kaum jedoch hatte Max die Art dieses Umformungsprozesses zu verstehen begonnen, fing er auch schon an, ihn als eine Umwandlung zu fürchten, bei der er sich selbst verlieren könnte.
    „Wenn ich dieser Umformung zu folgen versuche … kann es nicht sein, dass ich mich verirre?“, flüsterte er Till zu, der sich nur unwillig von seinem Band ablenken ließ.
    Till nahm ihm das Buch aus der Hand. „Hier“, sagte er und hielt ein anderes hoch. „Versuch das vielleicht mal lieber.“ Dann schaute er zurück auf die Seiten, die er selbst aufgeschlagen hatte.
    Max blickte auf das Buch, das Till ihm zugeschoben hatte. Gezeiten , hieß es und auf dem Umschlag war ein Sandstrand zu erkennen, auf den eine auslaufende Welle zurollte. Es war ein Bild von seltsamer Schönheit, in das Max - von der überstürzten Lektüre der vergangenen Stunden
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