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Die Verschwundenen

Die Verschwundenen

Titel: Die Verschwundenen
Autoren: Alexander Lohmann
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Schusswaffen gehabt, und heute dankte sie Gott dafür, dass sie nur Platzpatronen geladen hatte. Als hätte sie geahnt, dass irgendwann jemand ihre eigene Waffe gegen sie einsetzen könnte …
    Der Mann kam hinter ihr her. Mira hatte für ihren Ausflug an die Docks feste Schuhe angezogen. Aber ihr Verfolger war drahtig und viel besser trainiert. Er würde sie einholen, bevor sie die Straße erreichte. Sie brauchte ein Versteck!
    Mira lief auf das Lagerhaus mit den leeren Fenstern zu. Der eingestürzte Verschlag versperrte ihr den Weg, ein Haufen Eisenbleche, die teilweise bis ins Wasser gerutscht waren.
    »Mira!«, rief der Mann hinter ihr.
    Als ob sie jetzt anhalten würde!
    Sie stieg über den Schutt hinweg. Der Wind von der Bucht schlug ihr ins Gesicht. Sie spürte einen Hauch kalter Feuchtigkeit auf der Haut. Ihre Füße glitten auf dem Metall aus, das rau war von Rostnarben und zugleich schlüpfrig vor Nässe.
    Dann fühlte sie einen bohrenden Schmerz zwischen den Schultern. Sie stolperte. Irgendetwas schepperte über die Metallteile und rutschte ins Wasser. Für Sekunden setzte ihr Denken aus. Als sie erkannte, was geschehen war, kam es ihr so unwirklich vor, als würde sie von außen in ihren Kopf hineinhorchen.
    Der Mann hatte tatsächlich die Pistole nach ihr geworfen wie in einem zweitklassigen Film!
    Und fast hatte er sie damit zu Fall gebracht.
    »Hab ich dich, Schlampe«, brachte er keuchend hervor.
    Sie hörte seine Schritte auf dem Metall. Seine Hand griff nach dem Saum ihrer Jacke. Mira sprang zur Seite - in das Hafenbecken hinein.
    Sie stieß gegen Metall, das dicht unter der Wasseroberfläche lag. Der Aufprall trieb ihr die Luft aus den Lungen. Mira rutschte weiter. Der Boden verschwand unter ihren Füßen, und die Fluten schlugen über ihrem Kopf zusammen. Die Kälte traf sie wie ein Hammerschlag. Einen Schwall nach dem anderen verschluckte sie von dem trüben Hafenwasser, während sie sich zurück an die Oberfläche kämpfte. Es schmeckte bitter und nach Öl.
    Sie keuchte. Sie strampelte. Sie rang hustend nach Atem, als sie den Wind und Tropfen an ihrer Wange spürte. Eine Strömung erfasste sie.
    Die leichten Stiefel an ihren Füßen zerrten bleischwer an ihren Beinen. Immer wieder geriet sie mit dem Kopf unter Wasser, und wenn sie erneut auftauchte, brannte das Salz in ihren Augen.
    Mira verlor die Orientierung. Sie spuckte Wasser und versuchte, etwas zu erkennen. Verzweifelt kämpfte sie sich auf das Licht und den Lärm der belebteren Docks zu. Sie hatte keine Kraft und keinen Atem mehr und konnte sich nicht mehr um ihren Verfolger kümmern. Hatte er aufgegeben? Hoffentlich, denn sie konnte sich nicht mehr über Wasser halten.
    Mira erreichte eine Mole. Sie wusste nicht einmal, ob es dieselbe war, von der sie gesprungen war. Glatter Beton ragte ins Wasser, schleimige Holzpoller erhoben sich am Rand. Aber nirgendwo sah sie eine Leiter.
    Sie ging wieder unter. Kämpfte sich noch einmal hoch, hustete und versank wieder, bevor sie auch nur Luft holen konnte. Ihre Kleidung schien sich an ihr festzuklammern und sie in die Tiefe ziehen zu wollen.
    Ihre Finger glitten über den Beton. Inzwischen war es ihr egal, ob der Killer noch dort oben lauerte. Sie musste aus dem Wasser heraus. Aber in der Dunkelheit über dem Fluss sah sie keinen Ausweg.
    Ihre Hilferufe ertranken in den Fluten, die ihr in die Kehle schwappten.

1
    »Eine ertrunkene Frau im Hafen«, sagte Jeremiah Cotton. »Das ist wohl kaum ein Fall für das FBI, Sir.«
    Er saß gemeinsam mit Philippa Decker im Büro seines Vorgesetzten, John D. High. Der Chef des G-Teams hatte die beiden Agents zu sich bestellt und ihnen soeben ihren neuesten Fall übertragen.
    Philippa Decker griff nach den Papieren auf dem Tisch und schlug die Mappe auf. Cotton genoss derweil den Ausblick über die Steuerzentrale des Teams aus der Chefperspektive. Der weite Raum jenseits der gläsernen Trennwand war in helles Kunstlicht getaucht – eine High-Tech-Zentrale voller riesiger Monitore und all der Technik, von der Cotton zu seiner Zeit bei der New Yorker Polizei nur hatte träumen können.
    Mr. High musterte ihn missbilligend. »Hätten Sie die Güte, mir zuzuhören, Special Agent Cotton? Dann erfahren Sie am schnellsten, warum der Fall bei uns gelandet ist.«
    Cotton riss sich von dem Anblick der Zentrale los und räusperte sich. »Sicher, Sir. Verzeihung! Aber für einen Jungen aus der Provinz ist das alles hier immer noch ganz schön beeindruckend, Sir.«
    John
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