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Die Verschwundenen

Die Verschwundenen

Titel: Die Verschwundenen
Autoren: Alexander Lohmann
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schauten kaum hin und winkten ihn durch. So früh am Abend war der Club kaum besucht; bunte Lichtpünktchen drehten ihre einsamen Runden auf der Tanzfläche, und die Musik aus den Lautsprechern ließ Cotton an verstaubte Grammofonplatten denken, während eine Liveband gerade ihre Instrumente auf der Bühne aufbaute.
    Jemand musste den Besitzer herbeigerufen haben. Nick Skalsky war ein hochgewachsener Mann mit markanter Nase. Sein schwarzes Haar war mit so viel Gel nach hinten gekämmt, dass er damit die Tanzfläche hätte bohnern können. Er trug einen Anzug, der fast als Smoking durchgehen konnte, auch wenn das gestreifte Hemd unter dem Jackett den Eindruck empfindlich störte.
    »Signore Cotton!« Er breitete beide Arme aus. »Miss …«
    Er lächelte Philippa Decker an. Seine Zahnreihe glänzte hell im Kunstlicht.
    »Decker«, stellte Cotton seine Begleiterin vor. »Und was soll der falsche Akzent? Geht Skalsky inzwischen als italienischer Name durch?«
    Skalsky hob beschwichtigend beide Hände. Sein Lächeln schwankte nicht.
    »Ich will nur die goldenen Zeiten beschwören, als der Broadway noch echten Glanz hatte.«
    »Skalsky glaubt gerne«, erklärte Cotton seiner Kollegin, »dass er in den Goldenen Zwanzigern die besseren Geschäfte gemacht hätte.«
    Cotton wusste genau, das Diamond war nicht der einzige Club, den Skalsky in der Stadt besaß, nicht einmal der größte. Aber es war der Ort, an dem er sich am liebsten aufhielt und wo er am ehesten seine Marotten auslebte.
    Decker lächelte Skalsky an, mit einem spöttischen Zug um die Mundwinkel. »In den Zwanzigern wäre Ihr Schuppen illegal gewesen. Es sei denn, Sie hätten den Alkohol weggelassen.«
    »Ich gebe zu, diese Epoche hatte ihre Schattenseiten«, räumte Skalsky theatralisch ein. »Aber der Swing! Das Leben war damals einfach authentischer.«
     »Wie wahr!« Cotton grinste. »Heutzutage ist nur wenig echt an dem Laden. Nicht einmal der Name des Besitzers.«
    »Ja, ich habe davon gehört«, sagte Decker. »Sie haben eine Vorliebe für falsche Identitäten, Mr. Skalsky, nicht wahr? Oder sollte ich sagen, Mr. Lang?«
    Skalsky zog nun doch einen Schmollmund. »Ich würde es eher als Künstlername bezeichnen. Es hat alles seine Richtigkeit, meine Papiere sind in Ordnung. Was wollen Sie überhaupt, Signore Cotton? Ich dachte, Sie machen sich endlich mal einen schönen Abend und führen Ihre Freundin aus. Stattdessen bringen Sie eine Kollegin mit und spielen fieser Cop und böser Cop. Das enttäuscht mich sehr.«
    »Könnte sein, dass wir Sie noch mehr enttäuschen müssen.« Decker zog ein Foto aus der Tasche und hielt es Skalsky hin. »Kennen Sie diese Frau?«
    Es war ein Bild der Toten. Skalsky zuckte mit keiner Wimper. Er nahm das Foto in die Hand und drehte es so, dass er es in dem schummrigen Licht besser sehen konnte.
    »Klar kenne ich sie«, sagte er. »Ich wäre kein guter Gesellschafter in meinen Clubs, wenn ich mir keine Gesichter merken könnte. Das ist die kleine Laura … Laura Robinski, die mir bei der Buchführung geholfen hat. Ist sie wieder aufgetaucht?«
    »Wie man es nimmt«, stellte Decker trocken fest. »Mit dem Gesicht nach unten im Hafenbecken treibend. Man erzählt sich, sie hätte bei Ihnen Geld unterschlagen.«
    Skalsky zuckte die Achseln. »Mag sein. Unser neuer Buchhalter kann Ihnen sicher mehr darüber erzählen. Aber in unserem bescheidenen Etablissement hat sie sich bestimmt nicht genug unter den Nagel reißen können, dass sie davon drei Jahre lang untertauchen konnte.«
    »Es heißt, Laura Robinski hätte nicht nur die offiziellen Bücher Ihrer Clubs betreut. Da sollen eine Menge Dollars durch ihre Finger gegangen sein, die Sie der Polizei gegenüber nicht erwähnen wollten. Glücksspiel, Schmuggel, Drogen …«
    »Gerüchte, nichts als Gerüchte!«, rief Skalsky. »Auf der Straße wird viel geschwatzt, wenn so ein Mädchen plötzlich verschwindet.«
    Er musterte Decker. Sein Mund war schmal geworden, sein Blick kühl. Er gab das Foto zurück.
    »Wenn Sie hier sind, um mich irgendwie mit dem Tod von Robinski in Verbindung zu bringen, müssen Sie schon mehr vorweisen. Ich habe die Frau seit drei Jahren nicht gesehen. Was mich betrifft, ist sie einfach nur verrückt geworden, vielleicht eine Zeit lang durch die Straßen gestromert. Und wenn man sie jetzt aus dem Hafenbecken gefischt hat … Pech für sie.«
*
    Nachdem Cotton sich von Decker getrennt hatte, fuhr er eine Weile durch die abendlichen Straßen von New York. Das
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