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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie
Autoren: James A. Owen
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Nebengebäuden, die am nördlichen und südlichen Ende von Türmen flankiert wurden. Diese Gebäude beherbergten die Eidolon-Stiftung. Einer der stillen Teilhaber der Stiftung unterstützte auch die Forschung am RISC-Linz durch großzügige Spenden – Beträge, die sich um das zehnfache erhöhten, als der Stiftung gestattet wurde, die ungenutzten Gebäude auf dem Gelände zu beziehen.
    Nur zwei Pfleger, zwei der Schwestern und der Direktor hatten ihren Wohnsitz im nahe gelegenen Dorf. Doktor Kapelson und die übrigen Mitarbeiter kamen jeden Tag aus Linz angereist. Für sie war der Wechsel von der recht modernen Stadt zu den mittelalterlichen Gebäuden vermutlich noch eindrucksvoller als für die Mitarbeiter, die vor Ort wohnten.
    Die Anachronismen waren überall sichtbar: Modemkabel verliefen an Steinmauern, die lange vor Kolumbus’ Zeiten errichtet worden waren; in den archaischen Wandleuchtern befanden sich Halogenlampen; die eingebaute Zentralheizung hatte ihren Abzug in den gewaltigen Kaminen. All das hätte ausgereicht, um einen Verrückten davon zu überzeugen, dass er den Verstand verloren hatte – allerdings verließen die Verrückten ihre Räume nur selten, und diese waren modernisiert worden, die Wände verputzt und weiß getüncht.
    Der hauptsächlich den Patienten und ihrer medizinischen Versorgung zugedachte Teil der Einrichtung erstreckte sich über die fünf Etagen des Südturms und drei Etagen des Nordturms. Die Patientenzimmer zweigten wie Speichen eines Rades von der Haupttreppe ab. Abgesehen von den Krankenschwestern und Pflegern, die ihren Pflichten nachgingen, waren die Treppen für gewöhnlich leer, doch an diesem Abend hatten die Mitarbeiter bei Schichtende auf den Treppenabsätzen ungewöhnliche Verzierungen vorgefunden. Als hätte sich ein Lebensmittellieferant einen kleinen Scherz erlaubt, befand sich auf jedem Absatz ein wohl geformtes, ovales, grünes Ei.
    Die Entdeckung beunruhigte die Mitarbeiter, faszinierte Doktor Kapelson und blieb den Patienten vollkommen gleichgültig. Diese interessierten sich mehr für den plötzlichen Wetterwechsel: Parallel zu den ungewöhnlichen Ereignissen, welche die Ankunft des neuen Patienten begleitet hatten, hatte es an diesem Morgen angefangen zu schneien.
     

     
    Der medizinische Leiter der Eidolon-Stiftung war ein agiler, scharfsinniger, älterer Engländer namens Doktor Syntax. Er fühlte sich eher der Forschung verpflichtet als der Leitung einer Organisation und benötigte daher jemanden wie Doktor Kapelson, die die Räder am Laufen hielt, während er sich mit der Feinarbeit beschäftigte.
    Vor zwei Tagen war er zu einer Konsultation gerufen worden und hatte Doktor Kapelson und ihren Mitarbeitern Anweisungen hinterlassen, wie mit dem neuen Status quo zu verfahren sei. Die Ärztin fand es äußerst ungewöhnlich, dass er sich durch eine Konsultation von einem so wichtigen Ereignis wie der Aufnahme eines neuen Patienten im Nordturm abhalten ließ, besonders angesichts seiner üblichen Geheimnistuerei, was die Patienten dort betraf. Dennoch hätte er ihr nicht die Verantwortung übertragen, wäre er nicht von ihren Fähigkeiten überzeugt gewesen – so überzeugt, dass er sie vor einem knappen Jahr eingestellt hatte, ohne sie persönlich zu kennen; so überzeugt, dass er sie vor einigen Monaten – ihrer tatsächlichen Erfahrung um Jahre voraus – zur Stellvertretenden Leiterin befördert hatte.
    Doktor Kapelson war von dunkler Schönheit und ein wenig rundlich. Außerdem ging sie mit einem leichten Hinken, was jedoch kaum auffiel. Das Hinken war einmal sehr viel stärker gewesen, und wenn sie daran dachte, musste sie lächeln.
    Sie ging den langen Korridor zu den Büros hinunter, die sich in dem Anbau mit den hohen Räumen den Ställen gegenüber befanden. Ihr eigenes Büro lag auf der rechten Seite in östlicher Richtung und grenzte an die Schwesternstation und den Pausenraum der Pfleger an. Das Büro des Direktors auf der linken Seite nahm die restliche Fläche des Anbaus ein.
    Doktor Kapelson klopfte leise an die solide Eichentür, bevor sie sie öffnete. »Doktor Syntax? Ich bin’s, Marisa. Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
    »Ah, Marisa, meine Liebe«, sagte er und winkte sie herein, ohne von seinen Notizen aufzublicken. »Ja, bitte, kommen Sie nur herein.«
    »Wie war Ihre Reise?«
    »Nicht vollkommen zufrieden stellend, aber auch kein Fehlschlag«, sagte er gleichmütig. »Ich finde solche Konsultationen stets etwas ermüdend. Die Leute
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