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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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Schulter. Sie sah, dass Jahzara das silberne Kreuz mit beiden Händen umklammert an die Brust gepresst hielt.
    »Seht mal dort drüben – da links, am Ufer. Das Haus von Charles Bahri.«
    Peter schaute hinüber zu dem Lichtermeer. Er musste schlucken. Einen Augenblick lang schämte er sich, vor lauter Euphorie nicht daran gedacht zu haben. Dort drüben, nicht weit vom Ufer des Nils entfernt am Talaat-Harb-Platz, lag die alte Kolonialvilla mit der großen Fensterscheibe, umringt von Geschäftshäusern mit grellen Neonlichtern. Peter bekam Gänsehaut. Hier in der Sharia-Qasr-el-Nil-Straße hatte im Buchladen L’Orientaliste vor einigen Jahren alles angefangen. Für ihn – und für Jahzara. Für Charles hatte die Suche nach der Wahrheit tödlich geendet. Für Jahzara und für ihn um Haaresbreite auch. Ebenso für Yvonne. Sie alle waren in einen mörderischen Strudel von Gewalt geraten. Nun saßen sie drei auf einem Luxusdampfer, tranken Champagner und waren kurz davor gewesen, den Abend in grenzenloser Glückseligkeit zu verbringen. War das pietätlos? Würde es Charles gefallen, dass sie hier so rührselig glücklich zusammensaßen? Charles hatte Jahzara und ihn zusammengebracht. Es hatte das sehr raffiniert eingefädelt. Letztendlich hatte Charles erreicht, was er beabsichtigte: Sie hatten die Karawane gefunden. Bald würde Jahzara ihr Wissen an die Öffentlichkeit bringen. Charles wäre sicherlich unheimlich stolz auf sie drei. Schade, dass der kauzige Alte das nicht hatte erleben können!
    Peter drehte sich zu Jahzara und Yvonne um. Beide waren sehr traurig.
    Mit zittriger Hand hob Jahzara ihr Glas und hielt es in Richtung des Nilufers, hin zu dem Haus, an dem einst L’Orientaliste geschrieben stand. »Wir denken an dich, Abba – alter, weiser Mann! Wir werden immer an dich denken. Die Wahrheit war dir dein Leben wert. Du hast einen hohen Preis für deinen unantastbaren Glauben an Gerechtigkeit bezahlt. Ich verspreche dir in allen Ehren und aus der Verpflichtung heraus, die ich meinen Ahnen und christlichen Mitbrüdern und Schwestern gegenüber habe, dass die Welt erfahren wird, was damals in Rom, in Äthiopien und im Land der Leere geschehen ist. Auf dein Wohl, Charles Bahri! Solche Männer wie dich gab und gibt es zu wenige auf der Welt.«
    Jahzara zupfte die weiße Leinenserviette vom Tisch und schniefte.
    Yvonne legte ihren Kopf tröstend auf Jahzaras Schulter.
    Peter räusperte sich ergriffen. Er hob sein Glas in Richtung der Sharia Qasr el-Nil und murmelte: »Wenn es ein Junge wird, Charles, werden wir ihm deinen Namen geben. Wird es ein Mädchen, so soll sie Sahel heißen. Cheers! Für dich werden die guten Zeiten leider nicht mehr kommen, Charles Bahri. Sie waren schon da. Schade, einen Mann wie dich hätten wir gerne als Freund gehabt – und als Taufpaten.«
    Peter wollte soeben einen Schluck Champagner trinken, als sein Blick auf das Kreuz in der Hand von Jahzara fiel. Sie hielt es fest an ihre Lippen gepresst. Im spärlichen Abendlicht sah er auf der Rückseite des silbernen Kreuzes etwas, das ihn stutzig machte. Da schienen einige Zeichen oder Zahlen eingraviert zu sein. Er tat einen Schritt auf Jahzara zu. »Kann… kann ich das Kreuz mal eben sehen?«
    Jahzara reichte es ihm.
    Peter hielt das Schmuckstück so ins Licht, dass er mit zusammengekniffenen Augen die Details auf der Rückseite erkennen konnte. Er erstarrte. Er kannte diese Zeichen und Zahlen! Und ob er sie kannte! Er selbst hatte sie vor einigen Wochen in genau dieser Reihenfolge ausgearbeitet und eingetippt. Es waren die Koordinaten des GPS-Geräts! Unfassbar! Auf diesem Kreuz standen die Längen- und Breitenkoordinaten des Ortes im Land der Leere eingraviert, wo ihr Wagen unter dem Wüstensand lag. Und der Schatz, die Karawane!
    Jahzara starrte ihn fragend an. »Was steht da auf dem Kreuz? Eine Widmung?«
    Peter schaute sie an, legte zitternd seinen Arm um Yvonne. »Ich fasse es nicht! Das hier sind die Koordinaten, die uns zur Karawane zurückführen könnten, wenn wir es denn jemals wieder wollten. Aber ich will da nie wieder hin! Deswegen habe ich doch mein GPS-Gerät aus dem Hubschrauber geworfen, damit wir nie in Versuchung kommen werden, noch einmal an diesen Ort des Grauens zurückzukehren. Ich Dummkopf! Der Hubschrauberpilot hatte diese Koordinaten doch auch. Der hat uns gesucht. Und natürlich hat seine Bordelektronik genau verzeichnet, wo er uns fand. Er weiß es. Er weiß nur nicht, welch unvorstellbaren Schätze dort im
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