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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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»Ich denke, wir brauchen dich nicht! Geh ruhig runter zu den anderen und macht die Bar unsicher. Was es zwischen Jahzara und mir zu sagen gibt, werden wir allein besprechen. Es wird nicht viel sein. Über eins sind wir uns aber schon im Vorfeld klar, Peter, du bist an allem schuld! Jawohl, du! Jahzara hat damals nichts getan auf dem Vaporetto. Und ich auch nicht. Aber du gieriger Wüstennomade hast sie mit deinen Augen ausgezogen und begehrt. Mein Urteil und mein Strafmaß stehen schon fest. Werfe dich demütig auf die Planken hier vor uns und flehe unter ägyptischem Sternenhimmel um Gnade, ja! Von mir wirst du nämlich lebenslänglich bekommen. Für immer und ewig wirst du mich begehren, lieben und kuscheln müssen! Unser Kind auch! Bis dass der Tod uns scheidet, heißt das wohl.« Yvonne konnte sich vor lauter Grinsen kaum mehr halten. Sie zwinkerte Jahzara zu: »Ist das okay?«
    Jahzara versuchte, eine böse Miene zu machen. Sie rollte mit ihren Augen: »Nein! Das ist zu milde für einen Lustmolch und Herzensbrecher. Zwei Kinder müssen es werden! Nein, besser noch drei! Mit drei Kindern und einer Frau hat er so viel zu tun, dass er auf keine dummen Gedanken mehr kommen wird. Genau so muss es sein! Erst wenn aus Babys erwachsene Söhne und Töchter geworden sind, darfst du wieder in die Wüste fahren. Und zwar gemeinsam mit den Kindern. So, wie es dein Vater damals mit dir gemacht hat.«
    Jahzaras letzte Worte gingen in einem schallenden Gelächter unter.
    Yvonne konnte sich vor Lachen kaum mehr auf den Beinen halten.
    Jahzara weinte vor Begeisterung. Beide umarmten sich.
    Mit dem Fahrtwind des Schiffes hörte Peter, wie Jahzara Yvonne ins Ohr flüsterte: »Jetzt hast du ihn wieder zurück. Du hattest ihn nie verloren. Zwischen uns war nichts, Yvonne. Nichts, was dir Sorgen bereiten müsste. Du hast ihn, er hat dich – und ich habe fortan einen tollen Bruder und eine ganz liebe Freundin.«
    Yvonne schaute ihr tief in die Augen. »Er hat mir am Telefon von Algier aus so unglaublich viel Nettes und Beeindruckendes von dir erzählt, dass ich wusste, dass wir beide Freundinnen werden. Alles, was er mir erzählt hat, glaube ich ihm, denn eins war er immer: ehrlich! So unglaublich ehrlich, dass ich oft Probleme hatte, damit umzugehen. So viel Ehrlichkeit ist selten. In Zukunft weiß ich das zu schätzen.«
     
    Die vier Männer kamen nach einer halben Stunde von der Bar im Unterdeck zurück und nahmen am Tisch Platz. Sie wirkten sehr ausgelassen. Pater Benedikt, der nach eigenem Bekunden »zwei Beelzebuben in rötlicher Verkleidung, versteckt in einer staubigen Flasche, vermutlich aus dem Raum Bordeaux«, vernichtet hatte, lachte so schallend und herzlich, dass selbst die Kellner über den ungemein fröhlichen Priester lächelten.
    Das Boot schipperte langsam an der nächtlichen Skyline von Kairo vorbei den Nil aufwärts. Es war ein angenehm warmer Abend. Am Tisch herrschte ausgelassene Stimmung. Jahzara saß neben Yvonne und schien im Gespräch mit ihr völlig der Welt entrückt zu sein. Peter beobachtete beide aus dem Augenwinkel heraus. Er war unendlich glücklich.
    Pater Benedikt war es, der schließlich sehr direkt fragte: »Was ist denn jetzt eigentlich, Ihrer Meinung nach, mit diesem Priesterkönig Johannes, von dem Sie mir in Algier erzählt haben? Ich habe schon so viel über ihn gehört und gelesen. Hat es ihn gegeben – in Äthiopien?«
    Jahzara räusperte sich und antwortete in einem sehr nüchternen Ton: »Diese mystische Figur basierte wahrscheinlich maßgeblich auf der damaligen kollektiven Sehnsucht der Christenheit auf einen Erretterkönig. Im Idealfall einer, der weltliche und geistliche Macht in sich vereinte. Ich persönlich glaube, dass der berühmte Brief des Priesterkönigs Johannes schlichtweg eine Fälschung ist, die in Rom ersonnen wurde. Sieht ganz so aus, als sei es eine der größten Intrigen und Desinformationskampagnen der römisch-katholischen Kirche im Mittelalter gewesen. Als dann die Johannes-Akten mit ins Spiel kamen, man also plötzlich glaubte, der Apostel Johannes sei aus dem Grab in Ephesus auferstanden, ging der Mythos wie ein Lauffeuer um die Welt. Die Unsterblichkeit des Priesterkönigs war logisch erklärt! Der Mythos wurde dann über die äthiopischen Herrscher personifiziert. Damit avancierte der Priesterkönig Johannes im Bewusstsein des Abendlandes zu einem realen Machtfaktor. Die Einzigen, die davon nichts wussten, waren die Äthiopier selbst. Nur der Papst hatte mit
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