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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen
Autoren: Ursula Poznanski
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weil sie mir glauben will. Sie schnieft getröstet und verwischt weitere Erde in ihrem Gesicht. »Du hast recht.« Mit einem Ruck stößt sie sich von dem Mäuerchen ab, hält einen Moment inne und dreht sich dann zu mir um. »Ich werde die Sphäre nicht mehr verlassen, nicht, solange da draußen noch Prims herumlaufen. Die gehören weg. Alle.«

5
    Ich gehe nicht zu den Gewächshäusern zurück, sondern direkt in mein Quartier, wo ich mich auf dem Bett ausstrecke und die Augen schließe. Die letzten Wochen waren hart, wir sind alle angespannt, das ist sicherlich auch ein Grund für Tommas harte Worte. Wir hätten die Entscheidungen, die anstehen, gerne schon hinter uns. Es wird nicht mehr lange dauern bis zu unserem Abschluss. Die Akademie verlassen, eine Laufbahn wählen aus den Möglichkeiten, die uns vorgelegt werden. Je kleiner die Zahl, desto schwerer die Wahl, sagt Zilla immer. Ich war viel zu lange nicht mehr bei ihr, dabei könnte ich psychologische Unterstützung im Moment gut gebrauchen. Die 7 ist ziemlich klein.
    Mein Hunger auch. Trotzdem, und weil ich mein Versäumnis von gestern wiedergutmachen will, stehe ich noch einmal auf, halte den Salvator unter den Scanner und warte auf das Piepsen, das anzeigt, dass er alle wichtigen Daten gelesen hat und diese nun an die Küche schickt. Dann erst lege ich mich wieder aufs Bett.
    Draußen, auf der Mauer, ziehen die Sentinel ihre Kreise. Ihr Anblick hat mich schon als Kind beruhigt und ich spüre, wie meine Lider schwer werden.
    Dass ich eingeschlafen bin, wird mir aber erst klar, als der schrille Ton meiner Türklingel mich weckt. Ich nehme der Küchenhilfe das Tablett aus der Hand, sage ein paar Worte, an die ich mich Sekunden später nicht mehr erinnere, und stelle das Essen auf den Tisch. Dort liegen noch die Geschichtsbücher, die ich morgen in die Bibliothek zurückbringen muss. Kostbare alte Werke, echtes Papier. Der Zweite Weltkrieg 1939-1945. Der Nahostkonflikt. Die Wasserkriege 2036-2040. Die Sphärenattentate 2092.
    »Wenn wir regieren wollen, müssen wir wissen, welchen Gefahren es auszuweichen gilt«, sagt Aureljo oft. Er weiß alles über die Kriege: wann und warum sie begonnen haben, wer davon profitiert und wer besonders darunter gelitten hat.
    Regieren nennt es Aureljo, herrschen Tudor, und es beeindruckt ihn gar nicht, wie oft Herrscher im Laufe der Geschichte einen Kopf kürzer gemacht worden sind.
    In meinem Essensbehälter finde ich Gemüsebrei, ein Stück Huhn und einen großen Klacks gekochte Weizenkörner. Kein Gebäck – der letzte Transport, der Mehl hätte bringen sollen, wurde von Prims geplündert.
    Ich esse alles auf und schicke den leeren Behälter zurück. Jetzt habe ich frei. Endlich. Ich stelle die Geschichtsbücher weg und lade mir einen Roman auf mein Terminal, einen von früher. Ich liebe die Beschreibungen von Tieren, von frei stehenden Häusern, von Wiesen – und alles leuchtet in sonnenbeschienenen Farben. Eines Tages wird es wieder so sein. Es heißt, wenige Hundert Kilometer südlich von hier beginnt der Schnee zu schmelzen, monatelang liegt der Boden frei, jeden Sommer ein bisschen mehr.
    Ich habe kaum fünf Seiten gelesen, da summt die Kommunikationsanlage.
    »Besuch«, vermeldet der diensthabende Sentinel.
    Jetzt noch? »Wer ist es?«
    »Nur ich«, sagt eine andere, wärmere Stimme. Aureljo.
    »Sie können öffnen.«
    Ich höre Aureljo die Treppen hinauflaufen und erwarte ihn an der Tür, schlinge meine Arme um ihn und ziehe ihn ins Zimmer.
    »Ich dachte, du kommst noch mal zurück«, sagt er atemlos. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    Meine Hände streicheln sein Gesicht, vermeiden die Narben am Haaransatz, vermissen das Muttermal neben dem Auge. »In der Auffangstation hat es länger gedauert. Danach wollte ich lieber allein sein.«
    Er legt einen Arm um meine Schultern und zieht mich zum Sofa. »Erzähl mir von den Kindern.«
    Sein Interesse ist echt, immer. Nicht nur, wenn es um mich geht. Aureljo umfängt die Menschen mit seiner Aufmerksamkeit und hüllt sie darin ein, weshalb er auf die meisten wie ein Magnet wirkt. Es kostet ihn keine Mühe, denn es ist seine Natur. Ich kenne niemanden, der nicht gern in seiner Nähe ist, und ich frage mich immer wieder, wieso er gerade mich liebt.
    Ich lege meinen Kopf an seine Schulter. »Es waren drei. Zwei Jungen, die sich wunderbar zurechtfinden werden. Fröhlich und zufrieden. Das Mädchen dagegen wird Zeit brauchen. Ich habe es nach Neu-Colonia geschickt.«
    »Das war
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