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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie
Autoren: Anette Strohmeyer
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Rodriguez Perrez‘ Reise erwähnt wird. Und ich will die Dokumente untersuchen.“
    „Das wird aber nicht leicht werden. Schon allein die Genehmigung zur Entnahme aus der Bibliothek zu bekommen, wird Wochen dauern“, gab Ben zu bedenken.
    „Eben drum!“, sagte ich.
    „Eben drum?“ Ben sah mich fragend an.
    Ich lächelte bedeutungsvoll.
    „Was meinst du damit, Jerry?“, drängte nun auch Addy.
    Ich lehnte mich zu den beiden vor und flüsterte: „Wie ich schon sagte, die Dokumente hatten keine Signatur … und da hab ich sie mitgenommen!“
    „Du hast was?“, riefen beide gleichzeitig aus, wobei Addy vorwurfsvoll klang und Ben beinahe beeindruckt von meiner Tat.
    „Schhht, nicht so laut“, beschwichtigte ich sie und lehnte mich noch weiter vor. „Ich hab es unter den Pulli gesteckt und aus der Bibliothek geschmuggelt. War ganz einfach.“
    „Und wo ist es jetzt?“
    Ich holte meinen Rucksack unter dem Tisch hervor und öffnete ihn. Ben und Addy sahen hinein und danach mich an. In ihren Augen funkelte die Neugier, und ich sah, dass sie das gleiche Fieber gepackt hatte wie mich.
    „Wir können es untersuchen“, sagte ich, „ohne dass uns jemand stört oder Vorschriften macht. Und wenn wir fertig sind, dann bringe ich es einfach zurück. Seid ihr dabei?“
    „Wow … Jerry … das ist … das ist genial!“, brachte Ben hervor, bemüht, seine Aufregung in Zaum zu halten. Mir war klar gewesen, dass er sich nicht lange würde bitten lassen, wenn ich ihm diesen Leckerbissen unter die Nase hielt. Er war immer ganz versessen auf alte Schriftstücke, besonders, wenn sie auch noch ein Geheimnis enthielten.
    Ich sah Addy an. Meine Sorge, dass sie mit mir schimpfen würde, wuchs, als ich ihren Gesichtsausdruck bemerkte. Sie war die Vernünftige von uns dreien und hatte uns schon vor so mancher Dummheit bewahrt. Aber ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, wenn sie Nein sagte, denn ich war mir sicher, dass ich es trotzdem tun würde! Gespannt wartete ich auf ihr Urteil.
    Addy räusperte sich und rieb sich das Kinn. Sie schien hin- und hergerissen. Meine Anspannung steigerte sich und ich merkte nicht, wie sich meine Hände unter der Tischplatte ineinander verkrampften. Mir war es unglaublich wichtig, dass sie dabei war.
    Addy knabberte an ihrer Unterlippe und senkte den Blick. Meine Finger formten derweil den berühmten Gordischen Knoten.
    Dann sagte sie: „Ich denke, dass wir mächtig Ärger bekommen, wenn man uns mit einem gestohlenen Dokument erwischt. Vielleicht fliegen wir deswegen sogar vom College. Und das würde meine Eltern vor Wut in den Orbit befördern. Ihr wisst ja, wie hart ich mir meinen Platz hier erkämpfen musste.“
    Mir sank der Mut. Gleich würde sie ablehnen.
    Addy holte Luft und stieß einen lauten Seufzer aus. „Jungs, ihr seid verrückt! Ehrlich!“ Lachend schüttelte sie den Kopf. „Aber deshalb mag ich euch ja auch so! Ich bin dabei!“Sie legte eine Hand in die Mitte des Tisches mit der Handfläche nach oben.
    Erleichtert schlug ich ein und legte meine Hand auf die ihre. Ich spürte die Wärme ihrer Haut, und mein Herz schlug schneller. Und als Ben seine Pranke auf unsere beiden Hände legte, war es besiegelt. Wir würden dem Geheimnis der Dokumente gemeinsam auf den Pelz rücken!
    Bei einer weiteren Flasche Bier beschlossen wir, zuerst eine Altersbestimmung der Papiere in Auftrag zu geben und danach die Handschrift zu untersuchen. Parallel wollten wir nach Belegquellen aus Spanien suchen, welche den Bericht des Seefahrers bestätigten. Erst danach würden wir wissen, ob das Schriftstück echt war.
    Ich war ganz aufgedreht, als ich eine Stunde später mit meinem Fahrrad nach Hause fuhr. Es war nach Mitternacht und die Straßen um diese späte Stunde leer. So brauchte ich nur knappe zehn Minuten für die fünf Meilen zu unserem Haus in der Courtney Avenue, deren einzige Besonderheit darin bestand, dass alle Häuser in ihr gleich aussahen. Als Kind war es mir des Öfteren passiert, das ich an der völlig falschen Haustür geklingelt hatte. Heute erkannte ich unser Haus im Schlaf. Es war das mit dem gepflegtesten Vorgarten und dem polierten Messingschild, auf dem unser Familienname prangte: „Benchley“.
    Nicht, dass mein Dad sich groß um Gartenarbeit scheren würde, aber wir hatten eine Haushälterin, die sich um alles kümmerte. Sie hieß Selma und war mittlerweile in die Jahre gekommen. Früher, als ich klein war, da war sie mein Kindermädchen gewesen und sie hatte alle
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