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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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miteinander sowohl ernste wie leichte
    Musik gehört und Katharina wie Else Woltersheim ein wenig vom Leben
    in Gemmelsbroich und Kuir erzählt hatten. Es war erst halb elf abends, als
    Katharina, Frau Woltersheim und Beiters sich unter Versicherungen großer
    Freundschaft und Sympathie von den Blornas trennten, die sich glücklich
    priesen, doch noch rechtzeitig – rechtzeitig für Katharina – zurückgekommen
    zu sein. Am erlöschenden Kaminfeuer erörterten sie bei einer Flasche Wein
    neue Urlaubspläne und den Charakter ihres Freundes Sträubleder und seiner
    Frau Maud. Als Blorna seine Frau bat, doch bei künftigen Besuchen das Wort
    »Herrenbesuch« nicht mehr zu gebrauchen, sie müsse doch einsehen, daß es zu
    einem neuralgischen Wort geworden sei, sagte Trude Blorna: »Den werden wir
    so bald nicht wiedersehen.«
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    46.
    Es ist verbürgt, daß Katharina den Rest des Abends ruhig verbrachte. Sie
    probierte ihr Beduinenkostüm noch einmal an, verstärkte einige Nähte und
    entschloß sich, anstelle eines Schleiers ein weißes Taschentuch zu verwenden.
    Man hörte noch ein wenig Radio miteinander, aß ein wenig Gebäck und begab
    sich dann zur Ruhe. Beiters, indem er zum erstenmal offen mit Frau Woltersheim
    in deren Schlafzimmer ging, Katharina, indem sie es sich auf der Couch bequem
    machte.
    47.
    Als Else Woltersheim und Konrad Beiters am Sonntagmorgen aufstanden, war der
    Frühstückstisch aufs freundlichste gedeckt, der Kaffee schon in die ermoskanne
    gefiltert und Katharina, die mit offensichtlichem Appetit schon frühstückte, saß
    am Wohnzimmertisch und las die SONNTAGSZEITUNG. Es soll hier kaum
    noch referiert, fast nur noch zitiert werden. Zugegeben, Katharinas »story« war
    nicht mehr mit Foto auf der Titelseite. Auf der Titelseite war diesmal Ludwig
    Götten mit der Überschrift: »Der zärtliche Liebhaber von Katharina Blum in
    Industriellen-Villa gestellt.« Die story selbst war umfangreicher als bisher auf den
    Seiten – mit zahlreichen Bildern: Katharina als Erstkommunikantin, ihr Vater
    als heimkehrender Gefreiter, die Kirche in Gemmelsbroich, noch einmal die Villa
    von Blornas. Katharinas Mutter als etwa Vierzigjährige, ziemlich vergrämt, fast
    verkommen wirkend vor dem winzigen Häuschen in Gemmelsbroich, in dem
    sie gewohnt hatten, schließlich ein Foto des Krankenhauses, in dem Katharinas
    Mutter in der Nacht von Freitag auf Samstag gestorben war. Der Text:
    Als erstes nachweisbares Opfer der undurchsichtigen, immer noch auf freiem
    Fuß befindlichen Katharina Blum kann man jetzt ihre eigene Mutter bezeichnen,
    die den Schock über die Aktivitäten ihrer Tochter nicht überlebte. Ist es schon
    merkwürdig genug, daß die Tochter, während ihre Mutter im Sterben lag, mit
    inniger Zärtlichkeit mit einem Räuber und Mörder auf einem Ball tanzte, so
    grenzt es doch schon ans extrem Perverse, daß sie bei dem Tod keine Träne
    vergoß. Ist diese Frau wirklich nur »eiskalt und berechnend«? Die Frau eines
    ihrer früheren Arbeitgeber, eines angesehenen Landarztes, beschreibt sie so: »Sie
    hatte so eine richtig nuttige Art. Ich mußte sie entlassen, meiner heranwachsenden
    Söhne, unserer Patienten und auch um des Ansehens meines Mannes willen.«
    War Katharina B. etwa auch an den Unterschlagungen des berüchtigten Dr.
    Fehnern beteiligt? (Die ZEITUNG berichtete seinerzeit über diesen Fall.) War
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    ihr Vater ein Simulant? Warum wurde ihr Bruder kriminell? Immer noch
    ungeklärt: ihr rascher Aufstieg und ihre hohen Einkünfte. Nun steht endgültig
    fest: Katharina Blum hat dem blutbefleckten Götten zur Flucht verholfen, sie
    hat das freundschaftliche Vertrauen und die spontane Hilfsbereitschaft eines
    hochangesehenen Wissenschaftlers und Industriellen schamlos mißbraucht. Es
    liegen inzwischen der ZEITUNG Informationen vor, die fast schlüssig beweisen:
    nicht sie erhielt Herrenbesuch, sondern sie stattete unaufgefordert Damenbesuch
    ab, um die Villa auszubaldowern. Die geheimnisvollen Autofahnen der Blum sind
    nun nicht mehr so geheimnisvoll. Sie setzte den Ruf eines ehrenwerten Menschen,
    dessen Familienglück, seine politische Karriere – über die die ZEITUNG schon
    mehrfach berichtet hat – skrupellos aufs Spiel, gleichgültig gegenüber den Gefühlen
    einer loyalen Ehefrau und den vier Kindern. Offenbar sollte die Blum im Auftrag
    einer Linksgruppe
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