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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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die Karriere von S. zerstören.
    Will die Polizei, will die Staatsanwaltschaft tatsächlich dem schandebedeckten
    Götten glauben, der die Blum voll entlastet? Die ZEITUNG erhebt zum
    wiederholten Male die Frage: Sind unsere Vernehmungsmethoden nicht doch zu
    milde? Soll man gegen Unmenschen menschlich bleiben müssen!
    Unter den Bildern von Blorna, Frau Blorna und der Villa:
    In diesem Haus arbeitete die Blum von sieben bis sechzehn Uhr dreißig
    selbständig, unbewacht, mit dem vollen Vertrauen von Dr. Blorna und Frau Dr.
    Blorna. Was mag sich hier alles abgespielt haben, während die ahnungslosen
    Blornas ihrem Beruf nachgingen! Oder waren sie nicht so ahnungslos! Ihr Verhältnis
    zur Blum wird als sehr vertraut, fast vertraulich bezeichnet. Nachbarn erzählten
    Zeitungsreportern, man könne fast von einem freundschaftlichen Verhältnis
    sprechen. Gewisse Andeutungen übergehen wir hier, da sie nicht zur Sache gehören.
    Oder doch! Welche Rolle spielte Frau Dr. Gertrud Blorna, die in den Annalen einer
    angesehenen TH heute noch als die »rote Trude« bekannt ist! Wie konnte Götten
    aus der Wohnung der Blum entkommen, obwohl ihm die Polizei auf den Fersen
    war! Wer kannte die Konstruktionspläne des Appartementhauses »Elegant am
    Strom wohnen« bis ins letzte Detail! Frau Blorna. Die Verkäuferin Hertha Sch.
    und die Arbeiterin Claudia St. sagten übereinstimmend zur ZEITUNG: »Die, wie
    die miteinander tanzten (gemeint sind die Blum und der Bandit Götten) – als
    hätten sie sich schon ewig gekannt. Das war kein zufälliges Treffen, das war ein
    Wiedersehen.«
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    Heinrich Böll
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    Als Beizmenne später intern kritisiert wurde, weil er Götten, von dessen
    Aufenthalt in der Sträublederschen Villa er schon seit Donnerstagabend .
    Uhr wußte, fast achtundvierzig Stunden unbehelligt gelassen und damit ein
    weiteres Entkommen Göttens riskiert hatte, lachte er und sagte, Götten habe
    schon ab Donnerstag um Mitternacht keine Chance mehr gehabt zu entkommen.
    Das Haus liege im Wald, sei aber auf eine geradezu ideale Weise von Hochsitzen
    »wie von Wachtürmen« umgeben, der Innenminister sei voll informiert und
    mit allen Maßnahmen einverstanden gewesen, – es sei per Hubschrauber, der
    natürlich nicht in Hörnähe gelandet sei, sofort ein Spezialtrupp in Marsch
    gesetzt, auf die Hochsitze verteilt worden, am anderen Morgen sei die lokale
    Polizeidienststelle durch weitere zwei Dutzend Beamte auf die diskreteste Weise
    verstärkt worden. Das wichtigste wäre gewesen, Göttens Kontaktversuche zu
    beobachten, und der Erfolg habe das Risiko gerechtfertigt. Es seien fünf Kontakte
    ausgemacht worden. Und man habe natürlich diese fünf Kontaktpersonen erst
    stellen und festnehmen, ihre Wohnungen durchsuchen müssen, bevor man
    Götten festnahm. Man habe bei diesem erst zugegriffen, als er auskontaktiert
    gewesen sei und leichtsinniger- oder frecherweise sich so sicher gefühlt habe, daß
    man ihn von außen habe beobachten können. Einige wichtige Details verdanke
    er übrigens den Reportern der ZEITUNG, dem dazu gehörenden Verlag und
    den mit diesem Haus verbundenen Organen, die nun einmal lockere und nicht
    immer konventionelle Methoden hätten, Einzelheiten zu erfahren, die amtlichen
    Rechercheuren verborgen blieben. So habe sich zum Beispiel herausgestellt,
    daß Frau Woltersheim ebensowenig ein unbeschriebenes Blatt sei wie Frau
    Blorna. Die Woltersheim sei  als uneheliches Kind einer Arbeiterin in Kuir
    geboren. Die Mutter lebe noch, und zwar wo? In der DDR, und das keineswegs
    gezwungenermaßen, sondern freiwillig; es sei ihr mehrmals, erstmalig , noch
    einmal , ein weiteres Mal  kurz vor dem Mauerbau angeboten worden, in
    ihre Heimat Kuir zurückzukommen, wo sie ein kleines Haus und einen Morgen
    Land besitze. Aber sie habe – und das dreimal und alle drei Male ausdrücklich
    – abgelehnt. Noch ein paar Stufen interessanter sei der Vater der Woltersheim,
    ein gewisser Lumm, ebenfalls Arbeiter, außerdem Mitglied der damaligen KPD,
    der  in die Sowjetunion emigriert sei und dort angeblich verschollen sei. Er,
    Beizmenne, nehme an, auf den Vermißtenlisten der Deutschen Wehrmacht sei
    diese Art von Verschollenen nicht zu finden.
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
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    Da man nicht sicher sein kann, daß bestimmte, relativ deutliche Hinweise auf
    Handlungs- und
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