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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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ausgeschenkt und Bier gezapft und
    Sektflaschen geöffnet und Rollmöpse serviert. Dann bin ich gegangen, ohne mich
    von Peter zu verabschieden, bin erst in eine Kirche nebenan, hab da vielleicht
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    eine halbe Stunde gesessen und an meine Mutter gedacht, an dieses verfluchte,
    elende Leben, das sie gehabt hat, und auch an meinen Vater, der immer, immer
    nörgelte, immer, und auf Staat und Kirche, Behörden und Beamte, Offiziere und
    alles schimpfte, aber wenn er mal mit einem von denen zu tun hatte, dann ist
    er gekrochen, hat fast gewinselt vor Unterwürfigkeit. Und an meinen Mann,
    Brettloh, an diesen miesen Dreck, den er diesem Tötges erzählt hatte, an meinen
    Bruder natürlich, der ewig und ewig hinter meinem Geld her war, wenn ich nur
    ein paar Mark verdient hatte, und sie mir abknöpfte für irgendeinen Blödsinn,
    Kleider oder Motorräder oder Spielsalons, und natürlich auch an den Pfarrer,
    der mich in der Schule immer »unser rötliches Kathrinchen« genannt hat, und
    ich wußte gar nicht, was er meinte, und die ganze Klasse lachte, weil ich dann
    wirklich rot wurde. Ja. Und natürlich auch an Ludwig. Dann bin ich aus der
    Kirche raus und ins nächstbeste Kino, und wieder raus aus dem Kino, und wieder
    in eine Kirche, weil das an diesem Karnevalssonntag der einzige Ort war, wo
    man ein bißchen Ruhe fand. Ich dachte natürlich auch an den Erschossenen da in
    meiner Wohnung. Ohne Reue, ohne Bedauern. Er wollte doch bumsen, und ich
    habe gebumst, oder? Und einen Augenblick lang dachte ich, es wäre der Kerl, der
    mich nachts angerufen hat und der auch die arme Else dauernd belästigt hat. Ich
    dachte, das ist doch die Stimme, und ich wollte ihn noch ein bißchen quatschen
    lassen, um es herauszukriegen, aber was hätte mir das genutzt? Und dann hatte
    ich plötzlich Lust auf einen starken Kaffee und bin zum Café Bekering gegangen,
    nicht ins Lokal, sondern in die Küche, weil ich Käthe Bekering, die Frau des
    Besitzers, von der Haushaltsschule her kenne. Käthe war sehr nett zu mir, obwohl
    sie ziemlich viel zu tun hatte. Sie hat mir eine Tasse von ihrem eigenen Kaffee
    gegeben, den sie ganz nach Omas Art noch richtig auf den gemahlenen Kaffee
    aufschüttet. Aber dann fing sie auch mit dem Kram aus der ZEITUNG an, nett,
    aber doch auf eine Weise, als glaubte sie wenigstens ein bißchen davon – und
    wie sollen die Leute denn auch wissen, daß das alles gelogen ist. Ich habe ihr zu
    erklären versucht, aber sie hat nicht verstanden, sondern nur mit den Augen
    gezwinkert und gesagt: ›Und du liebst also diesen Kerl wirklich‹, und ich habe
    gesagt ›Ja‹. Und dann habe ich mich für den Kaffee bedankt, hab mir draußen
    ein Taxi genommen und bin zu diesem Moeding gefahren, der damals so nett zu
    mir war.«
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