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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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sei für sie tot, tot … sie sei aber
    am Samstag doch bei Else geblieben und müsse sich die Pistole am Sonntag aus
    seiner Wohnung geholt haben, und zwar, als sie nach dem Frühstück und nach
    der Lektüre der SONNTAGSZEITUNG, als Beduinenfrau verkleidet in diese
    Journalistenbumsbude gefahren sei.
    58.
    Letzten Endes bleibt da doch noch etwas halbwegs Erfreuliches mitzuteilen:
    Katharina erzählte Blorna den Tathergang, erzählte ihm auch, wie sie die sieben
    oder sechseinhalb Stunden zwischen dem Mord und ihrem Eintreffen bei
    Moeding verbracht hatte. Man ist in der glücklichen Lage, diese Schilderung
    wörtlich zu zitieren, da Katharina alles schriftlich niederlegte und Blorna zur
    Verwendung beim Prozeß überließ.
    »In das Journalistenlokal bin ich nur gegangen, um ihn mir mal anzuschauen.
    Ich wollte wissen, wie solch ein Mensch aussieht, was er für Gebärden hat, wie
    er spricht, trinkt, tanzt – dieser Mensch, der mein Leben zerstört hat. Ja, ich
    bin vorher in Konrads Wohnung gegangen und habe mir die Pistole geholt, und
    ich habe sie sogar selbst geladen. Das hatte ich mir genau zeigen lassen, als wir
    damals im Wald geschossen haben. Ich wartete in dem Lokal eineinhalb bis zwei
    Stunden, aber er kam nicht. Ich hatte mir vorgenommen, wenn er zu widerlich
    wäre, gar nicht zu dem Interview zu gehen, und hätte ich ihn vorher gesehen,
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    wäre ich auch nicht hingegangen. Aber er kam ja nicht in die Kneipe. Um den
    Belästigungen zu entgehen, habe ich den Wirt, er heißt Kraffluhn, Peter, und
    ich kenne ihn von meinen Nebenbeschäftigungen her, wo er manchmal als
    Oberkellner aushilft – ich habe ihn gebeten, mich beim Ausschank hinter der
    eke helfen zu lassen. Peter wußte natürlich, was in der ZEITUNG über mich
    gelaufen war, er hatte mir versprochen, mir ein Zeichen zu geben, wenn Tötges
    auftauchen sollte. Ein paarmal, weil ja nun Karneval war, habe ich mich auch
    zum Tanz auffordern lassen, aber als Tötges nicht kam, wurde ich doch sehr
    nervös, denn ich wollte nicht unvorbereitet mit ihm zusammentreffen. Nun,
    um zwölf bin ich dann nach Hause gefahren, und es war mir scheußlich in
    der verschmierten und verdreckten Wohnung. Ich habe nur ein paar Minuten
    warten müssen, bis es klingelte, gerade Zeit genug, die Pistole zu entsichern und
    griffbereit in meiner Handtasche zu plazieren. Ja und dann klingelte es, und er
    stand schon vor der Tür, als ich aufmachte, und ich hatte doch gedacht, er hätte
    unten geklingelt, und ich hätte noch ein paar Minuten Zeit, aber er war schon
    mit dem Aufzug raufgefahren, und da stand er vor mir, und ich war erschrocken.
    Nun, ich sah sofort, welch ein Schwein er war, ein richtiges Schwein. Und dazu
    hübsch. Was man so hübsch nennt. Nun, Sie haben ja die Fotos gesehen. Er
    sagte »Na, Blümchen, was machen wir zwei denn jetzt?« Ich sagte kein Wort,
    wich ins Wohnzimmer zurück, und er kam mir nach und sagte: »Was guckst du
    mich denn so entgeistert an, mein Blümelein – ich schlage vor, daß wir jetzt erst
    einmal bumsen.« Nun, inzwischen war ich bei meiner Handtasche, und er ging
    mir an die Kledage, und ich dachte: »Bumsen, meinetwegen«, und ich hab die
    Pistole rausgenommen und sofort auf ihn geschossen. Zweimal, dreimal, viermal.
    Ich weiß nicht mehr genau. Wie oft, das können Sie ja in dem Polizeibericht
    nachlesen. Ja, nun müssen Sie nicht glauben, daß es was Neues für mich war,
    daß ein Mann mir an die Kledage wollte – wenn Sie von Ihrem vierzehnten
    Lebensjahr an, und schon früher, in Haushalten arbeiten, sind Sie was gewohnt.
    Aber dieser Kerl – und dann ›Bumsen‹, und ich dachte: Gut, jetzt bumst’s.
    Natürlich hatte er damit nicht gerechnet, und er guckte mich noch ’ne halbe
    Sekunde oder so erstaunt an, so wie im Kino, wenn einer plötzlich aus heiterem
    Himmel erschossen wird. Dann fiel er um, und ich glaube, daß er tot war. Ich
    habe die Pistole neben ihn geschmissen und bin raus, mit dem Aufzug runter,
    und zurück in die Kneipe, und Peter war erstaunt, denn ich war kaum eine halbe
    Stunde weggewesen. Ich hab dann weiter an der eke gearbeitet, habe nicht
    mehr getanzt, und die ganze Zeit über dachte ich »Es ist wohl doch nicht wahr«,
    ich wußte aber, daß es wahr war. Und Peter kam manchmal zu mir und sagte:
    Der kommt heute nicht, dein Kumpel da, und ich sagte: Sieht ganz so aus. Und
    tat gleichgültig. Bis vier habe ich Schnäpse
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