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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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alle Beteiligten überraschende Auskunft des Pfarrers
    von Gemmelsbroich, Katharinas Vater sei ein verkappter Kommunist gewesen,
    auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, fuhr Blorna für einen Tag in dieses Dorf.
    Zunächst: der Pfarrer bekräftigte seine Aussage, gab zu, daß die ZEITUNG ihn
    wörtlich und richtig zitiert habe, Beweise für seine Behauptung könne er keine
    bringen, wollte er auch nicht, sagte sogar, die brauche er nicht, er könne sich auf
    seinen Geruchssinn immer noch verlassen, und er habe einfach gerochen, daß
    Blum ein Kommunist sei. Definieren wollte er seinen Geruchssinn nicht, war auch
    nicht sehr hilfsbereit, als Blorna ihn bat, ihm doch zu erklären, wenn er schon
    seinen Geruchssinn nicht definieren könne, wie denn nun der Geruch eines
    Kommunisten sei, sozusagen, wie ein Kommunist denn rieche, und hier nun – es
    muß leider gesagt werden – wurde der Pfarrer ziemlich unhöflich, fragte Blorna,
    ob dieser katholisch sei, und als jener das bejahte, verwies ihn der Pfarrer auf
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    seine Gehorsamspflicht, was Blorna nicht verstand. Natürlich hatte er von da an
    Schwierigkeiten bei den Recherchen über die Blums, die nicht sonderlich beliebt
    gewesen zu sein schienen; er hörte Schlimmes über Katharinas verstorbene
    Mutter, die tatsächlich einmal in Gesellschaft des inzwischen entlassenen
    Küsters eine Flasche Meßwein in der Sakristei geleert hatte, hörte Schlimmes
    über Katharinas Bruder, der eine regelrechte Plage gewesen sei, aber das einzige,
    den Kommunismus von Katharinas Vater belegende Zitat war eine von jenem
    im Jahre  in einer der sieben Kneipen des Dorfes dem Bauern Scheumel
    gegenüber getane Äußerung, die gelautet haben sollte, »Der Sozialismus ist
    gar nicht das schlechteste«. Mehr war nicht herauszukriegen. Das einzige, was
    Blorna erntete, war, daß er am Ende seiner mißglückten Recherchen im Dorf
    selbst als Kommunist nicht gerade beschimpft, aber bezeichnet wurde, und zwar,
    was ihn besonders schmerzlich überraschte, durch eine Dame, die ihm bis dato
    eine gewisse Hilfe, fast sogar Sympathie entgegengebracht hatte: die pensionierte
    Lehrerin Elma Zubringer, die ihn, als er sich von ihr verabschiedete, spöttisch
    anlächelte, ihm sogar zuzwinkerte und sagte: »Warum geben Sie nicht zu, daß
    Sie selbst einer von denen sind – und Ihre Frau erst recht.«
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    Es kann hier leider die eine oder andere Gewalttätigkeit nicht verschwiegen
    werden, die sich ergab, während Blorna sich auf den Prozeß gegen Katharina
    vorbereitete. Den größten Fehler beging er, als er auf Katharinas Bitten auch die
    Verteidigung Göttens übernahm und immer wieder versuchte, für die beiden
    gegenseitige Besuchserlaubnis zu erwirken, da er darauf bestand, sie seien
    verlobt. Es habe eben an jenem fraglichen Abend des zwanzigsten Februar und
    in der darauffolgenden Nacht die Verlobung stattgefunden. Etc. Etc. Man kann
    sich ausmalen, was die ZEITUNG alles über ihn, über Götten, über Katharina,
    über Frau Blorna schrieb. Das soll hier nicht alles erwähnt oder zitiert werden.
    Gewisse Niveauverletzungen oder -verlassungen sollen nur dann vorgenommen
    werden, wenn sie notwendig sind, und hier sind sie nicht notwendig, weil man ja
    inzwischen die ZEITUNG wohl kennt. Es wurde das Gerücht ausgestreut, Blorna
    wolle sich scheiden lassen, ein Gerücht, an dem nichts, aber auch gar nichts wahr
    war, das aber dennoch zwischen den Eheleuten ein gewisses Mißtrauen säte. Es
    wurde behauptet, es ginge ihm finanziell dreckig, was schlimm war, weil es
    zutraf. Tatsächlich hatte er sich ein bißchen übernommen, da er außerdem eine
    Art Treuhänderschaft über Katharinas Wohnung übernommen hatte, die schwer
    zu vermieten war und auch nicht zu verkaufen, weil sie als »blutbefleckt« galt.
    Jedenfalls sank sie im Preis, und Blorna mußte gleichzeitig Amortisation, Zinsen
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    etc. in unverminderter Höhe zahlen. Es gab sogar die ersten Anzeichen dafür,
    daß die »Haftex«, was ihren Wohnkomplex »Elegant am Strom wohnen« betraf,
    eine Schadenersatzklage gegen Katharina Blum erwog, weil diese den Miet-,
    Handels- und Gesellschaftswert geschädigt habe. Man sieht: Ärger, ziemlich viel
    Ärger. Ein Versuch, Frau Blorna aus der Architekturfirma zu entlassen wegen des
    Vertrauensbruches, der darin bestanden hatte, Katharina mit der Sub-Struktur
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