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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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tatsächlich bis zu
    Frau Blum durchgedrungen war oder ob er, um die in der ZEITUNG zitierten
    Sätze von Katharinas Mutter als Ergebnis eines Interviews ausgeben zu können,
    seinen Besuch erlogen bzw. erfunden hat, um seine journalistische Cleverness
    oder Tüchtigkeit zu beweisen und nebenher ein bißchen anzugeben. Dr. Keinen,
    Schwester Edelgard, eine spanische Krankenschwester namens Huelva, eine
    portugiesische Putzfrau namens Puelco – alle halten es für ausgeschlossen, daß
    »dieser Kerl tatsächlich die Frechheit besessen haben könnte, das zu tun« (Dr.
    Heinen). Nun ist zweifellos nicht nur der, wenn auch möglicherweise erfundene,
    aber zugegebene Besuch bei Katharinas Mutter ganz gewiß ausschlaggebend
    gewesen, und es fragt sich natürlich, ob das Krankenhauspersonal einfach
    leugnet, was nicht sein durfte, oder Tötges, um die Zitate von Katharinas Mutter
    als wörtlich zu decken, den Besuch bei ihr erfand. Hier soll absolute Gerechtigkeit
    walten. Es gilt als erwiesen, daß Katharina sich ihr Kostüm schneiderte, um
    in eben jene Kneipe, aus der der unglückselige Schönner »mit einer Bumme
    abgehauen« war, Recherchen anzustellen, nachdem sie das Interview mit
    Tötges bereits verabredet hatte und nachdem die SONNTAGSZEITUNG
    einen weiteren Bericht von Tötges publiziert hatte. Man muß also abwarten.
    Sicher ist, nachgewiesen, belegt geradezu, daß Dr. Keinen überrascht war vom
    plötzlichen Tod seiner Patientin Maria Blum, und daß er »unvorhergesehene
    Einwirkungen, wenn nicht nachweisen, so doch auch nicht ausschließen kann«.
    Unschuldige Anstreicher sollen hier keinesfalls verantwortlich gemacht werden.
    Die Ehre des deutschen Handwerks darf nicht befleckt werden: weder Schwester
    Edelgard noch die ausländischen Damen Huelva und Puelco können dafür
    garantieren, daß alle Anstreicher — es waren vier von der Firma Merkens aus
    Kuir – wirklich Anstreicher waren, und da die vier an verschiedenen Stellen
    arbeiteten, kann niemand wirklich wissen, ob da nicht einer mit Kittel, Farbtopf
    und Pinsel ausgestattet sich eingeschlichen hat. Fest steht: Tötges hat behauptet
    (von zugegeben kann nicht gesprochen werden, da sein Besuch nicht wirklich
    nachweisbar ist), bei Maria Blum gewesen zu sein und sie interviewt zu haben,
    und diese Behauptung ist Katharina bekanntgeworden. Herr Merkens hat
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    auch zugegeben, daß natürlich nicht immer alle vier Anstreicher gleichzeitig
    anwesend waren, und daß, wenn jemand sich hätte einschleichen wollen, das
    eine Kleinigkeit gewesen wäre. Dr. Keinen hat später gesagt, er würde die
    ZEITUNG auf das veröffentlichte Zitat von Katharinas Mutter hin anzeigen,
    einen Skandal hervorrufen, denn das sei, wenn wahr, ungeheuerlich – aber seine
    Drohung blieb so wenig ausgeführt wie das »In-die-Fresse-hauen«, das Blorna
    Sträubleder angedroht hatte.
    44.
    Gegen Mittag jenes Samstags, des . Februar , trafen im Café Kloog in
    Kuir (es handelt sich um einen Neffen jenes Gastwirts, bei dem Katharina als
    junge Frau gelegentlich in der Küche und als Serviererin aushalf) die Blornas,
    Frau Woltersheim, Konrad Beiters und Katharina endlich zusammen. Es fanden
    Umarmungen statt und es flössen Tränen, sogar von Frau Blorna. Natürlich
    herrschte auch im Café Kloog Karnevalsstimmung, aber der Besitzer, Erwin
    Kloog, der Katharina kannte, duzte und schätzte, stellte den Versammelten
    sein privates Wohnzimmer zur Verfügung. Von dort aus telefonierte Blorna
    zunächst mit Hach und sagte die Verabredung für den Nachmittag im Foyer
    des Museums ab. Er teilte Hach mit, daß Katharinas Mutter wahrscheinlich
    infolge eines Besuchs von Tötges von der ZEITUNG unerwartet gestorben sei.
    Hach war milder als am Morgen, bat, Katharina, die ihm gewiß nicht grolle,
    wozu sie auch keinen Grund habe, sein persönliches Beileid auszusprechen. Im
    übrigen stehe er jederzeit zur Verfügung. Er sei zwar jetzt sehr beschäftigt mit
    den Vernehmungen von Götten, werde sich aber freimachen, – im übrigen habe
    sich aus den Vernehmungen Göttens bisher nichts Belastendes für Katharina
    ergeben. Er habe mit großer Zuneigung und fair von ihr und über sie gesprochen.
    Eine Besuchserlaubnis sei allerdings nicht zu erwarten, da keine Verwandtschaft
    vorliege und die Definition »Verlobte« sich bestimmt als zu vage herausstellen
    und nicht stichhaltig würde.
    Es sieht ganz so aus, als sei
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