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Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Titel: Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
Autoren: R. A. Salvatore
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um ihn dazu zu bringen, sie zu heiraten? Wollte sie ihn retten, damit er eines Tages sie aus der jämmerlichen Existenz rettete, die sie sich als Schankmädchen aufgebaut hatte?
    Wulfgar bemerkte, dass seine Knöchel weiß geworden waren, so fest hatte er seine Hände geballt, und er öffnete sie und holte mehrmals tief und gleichmäßig Luft. Ein weiterer Seufzer, ein weiteres Lecken seiner Zunge über dreckige Zähne, und der Mann stand auf und reckte seine riesige, über zwei Meter große Gestalt. Wie jeden Tag, wenn er dieses Ritual durchführte, entdeckte er, dass seine mächtigen Muskeln und Knochen wieder etwas mehr schmerzten. Wulfgar betrachtete seine kraftvollen Arme, und obwohl sie noch immer dicker und muskulöser waren, als die von fast jedem anderen Mann, konnte er doch nicht umhin, eine gewisse Schlaffheit in den Muskeln zu bemerken.
    Wie anders sein Leben doch heute war als damals, vor all diesen Jahren im Eiswindtal, als er den ganzen langen Tag über zusammen mit seinem zwergischen Adoptivvater Bruenor gearbeitet hatte und mächtige Steine behämmert oder gehoben hatte. Oder als er mit Drizzt, seinem Kriegerfreund, auf die Jagd nach Wild oder Riesen gegangen war und sie den ganzen Tag über gelaufen waren und gekämpft hatten. Die Zeiten waren damals anstrengender gewesen, erfüllter von körperlichen Beschwernissen, doch diese Beschwernisse waren nur körperlich gewesen und hatten nicht auf seinen Gefühlen gelastet. Zu jener Zeit hatte er keine Schmerzen verspürt.
    Die Schwärze in seinem Herzen, der schlimmste Schmerz, war die Quelle von alldem.
    Er versuchte, an diese verlorenen Jahre zurückzudenken, in denen er an der Seite von Bruenor und Drizzt gearbeitet und gekämpft hatte, oder an jene Tage, in denen er über die windumtosten Hänge von Kelvins Steinhügel, dem einzelnen Berg im Eiswindtal, gerannt und hinter Catti-brie hergejagt war …
    Der bloße Gedanke an die Frau ließ ihn abrupt innehalten. Er fühlte sich ausgehöhlt, und in diese Leere drangen unvermeidlicherweise Bilder von Errtu und seinen dämonischen Handlangern ein. Einmal hatte einer dieser Helfer, der schreckliche Succubus, die Gestalt von Catti-brie angenommen. Es war ein perfektes Abbild gewesen, und Errtu hatte Wulfgar davon überzeugt, dass es ihm gelungen sei, die Frau einzufangen, dass er sie in seine Gewalt gebracht hatte, um sie der gleichen endlosen Tortur zu unterziehen wie Wulfgar, und zwar einzig wegen Wulfgar.
    Errtu hatte den Succubus, Catti-brie, direkt vor Wulfgars entsetzten Augen gepackt, der Frau die Gliedmaßen ausgerissen und sie in einer blutigen Orgie verschlungen.
    Nach Luft keuchend, kämpfte sich Wulfgar zu seinen Erinnerungen an Catti-brie, an die echte Catti-brie, zurück. Er hatte sie geliebt. Sie war, vielleicht, die einzige Frau, die er jemals geliebt hatte, doch jetzt war sie für ihn auf ewig verloren, so glaubte er. Obgleich er nach Zehn-Städte reisen und sie wiederfinden konnte, war das Band zwischen ihnen durchtrennt worden, durchschnitten von den beißenden Narben Errtus und von Wulfgars Reaktion auf diese Narben.
    Die langen Schatten, die durch das Fenster drangen, verrieten ihm, dass der Tag sich seinem Ende näherte und seine Arbeit als Arumn Gardpecks Rausschmeißer bald beginnen würde. Der ermüdete Mann hatte Delly jedoch nicht belogen, als er ihr erklärt hatte, dass er mehr Ruhe brauchte, und so ließ er sich auf sein Bett sinken und fiel in tiefen Schlaf.
    Die Nacht hatte sich bereits dicht über Luskan gelegt, als Wulfgar in den geschäftigen Schankraum des »Entermessers« wankte. »Wieder spät dran, auch wenn das niemanden überraschen dürfte«, sagte Josi Puddles zum Schankwirt, als beide Wulfgar bemerkten. Der kleine Mann mit den Knopfaugen war ein Stammgast und mit Arumn Gardpeck befreundet. »Er arbeitet immer weniger und trinkt dir den Keller leer.«
    Arumn Gardpeck, ein freundlicher, aber ernster und immer praktischer Mann, wollte Josi seine übliche Erwiderung geben, dass er den Mund halten sollte, aber er konnte die Feststellung des anderen nicht bestreiten. Es schmerzte Arumn, Wulfgars Verfall zu beobachten. Er hatte sich vor einigen Monaten mit dem Barbaren angefreundet, als Wulfgar gerade in Luskan angekommen war. Zu Anfang hatte der Schankwirt sich nur wegen Wulfgars ungewöhnlichem Kampfgeschick für den Mann interessiert – einen mächtigen Krieger wie den Barbaren konnte er für seine Taverne in dem rauen Hafenviertel der Stadt gut gebrauchen. Bereits
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