Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit

Titel: Die Vergessenen Welten 12 - Schattenzeit
Autoren: R. A. Salvatore
Vom Netzwerk:
ihm gekommen. Am Anfang hatte er sie als angenehme Ablenkung betrachtet, als Zuckerguss auf seinem Branntwein-Kuchen, und auch als fürsorgliche Freundin. Delly hatte Wulfgar durch seine ersten schweren Tage in Luskan geholfen. Sie hatte sich um seine Bedürfnisse gekümmert – sowohl seine emotionalen, als auch seine körperlichen –, ohne etwas dafür zu fordern. Doch in letzter Zeit hatte sich ihre Beziehung verändert, und zwar nicht einmal besonders heimlich. Jetzt, da er sich ein wenig besser mit seinem neuen Leben arrangiert hatte, das fast ausschließlich darin bestand, die Erinnerungen an die Pein seiner Jahre bei Errtu zu verdrängen, sah Wulfgar das Schankmädchen mit anderen Augen.
    Emotional war Delly ein Kind, ein bedürftiges kleines Mädchen.
    Wulfgar, der Mitte zwanzig war, war mehrere Jahre älter als sie. Mittlerweile war er der Erwachsene in ihrer Beziehung geworden, und Dellys Bedürfnisse hatten begonnen, seine eigenen zu überschatten.
    »Ach komm, du hast doch zehn Minuten für mich übrig, Wulfgar«, sagte sie, rückte näher und strich ihm sanft über die Wange. Wulfgar ergriff ihr Handgelenk und schob es sanft, aber bestimmt weg. »Es war eine lange Nacht«, erwiderte er. »Und ich hatte gehofft, mich noch ein bisschen ausruhen zu können, bevor meine Pflichten für Arumn anfangen.« »Aber ich habe so ein Jucken …«
    »Ich brauche Ruhe«, wiederholte Wulfgar und betonte jedes einzelne Wort.
    Delly zog sich von ihm zurück, und ihre verführerische, schmollende Pose wurde plötzlich kalt und abweisend. »Wie du willst«, sagte sie mit rauer Stimme. »Glaubst du, du bist der einzige Mann, der in mein Bett will?«
    Wulfgar würdigte den Ausbruch keiner Erwiderung. Die einzige Antwort, die er ihr hätte geben können, wäre zu sagen, dass es ihm wirklich egal sei, dass diese ganze Sache – sein Trinken, sein sich Prügeln – nur seine Weise war, sich zu verstecken. In Wahrheit mochte und respektierte Wulfgar das Mädchen und sah sie als Freundin an – oder täte es, wenn er ehrlich glauben würde, dass er ein Freund sein könnte. Er wollte ihr nicht wehtun.
    Zitternd und unsicher stand Delly in Wulfgars Zimmer. Plötzlich fühlte sie sich in ihrem dünnen Hemd sehr nackt, verschränkte die Arme vor der Brust und rannte in den Gang hinaus und zu ihrem eigenen Raum, dessen Tür sie hinter sich zuschlug.
    Wulfgar schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er lachte leise und hilflos auf, als er hörte, wie Dellys Tür sich wieder öffnete und ihre eiligen Schritte sich auf die Tür nach draußen zubewegten. Auch diese Tür wurde laut zugeschlagen, und Wulfgar erkannte, dass der ganze Krach für seine Ohren bestimmt war. Delly wollte, dass er hörte, dass sie wirklich fortging, um in den Armen eines anderen Trost zu finden.
    Sie war ein kompliziertes Mädchen, erkannte der Barbar, und ihr Gefühlsleben befand sich in noch größerem Aufruhr als sein eigenes, wenn das überhaupt möglich war. Er fragte sich, wie es zwischen ihnen beiden überhaupt so weit hatte kommen können. Zu Beginn war ihre Beziehung so einfach gewesen, so geradlinig: zwei Menschen, die einander ihre Bedürfnisse befriedigen konnten. In letzter Zeit jedoch war alles viel komplexer geworden. Delly brauchte Wulfgar, um sich um sie zu kümmern, um sie zu schützen und ihr zu sagen, dass sie schön war, aber Wulfgar wusste, dass er sich nicht einmal um sich selbst kümmern konnte, geschweige denn um sie. Delly brauchte Wulfgar, um sie zu lieben, und doch besaß der Barbar keine Liebe, die er zu geben vermochte. Für Wulfgar gab es nur Schmerz und Hass, nur Erinnerungen an den Dämon Errtu und den Kerker des Abgrunds, in dem er sechs lange Jahre hindurch gepeinigt worden war.
    Wulfgar seufzte, rieb sich den Schlaf aus den Augen und griff zu seiner Flasche, die sich jedoch als leer herausstellte. Mit einem frustrierten Fauchen schleuderte er sie durch den Raum, wo sie an einer Wand zerschmetterte. Einen kurzen Moment lang stellte er sich vor, dass sie gegen Delly Curties Gesicht geprallt wäre. Dieses Bild erschreckte ihn, aber es überraschte ihn nicht. Er fragte sich verschwommen, ob Delly ihn nicht absichtlich bis zu diesem Punkt gebracht hatte; vielleicht war diese Frau kein unschuldiges Kind, sondern eine verschlagene Jägerin. Als sie das erste Mal zu ihm gekommen war, um ihm Trost und Wärme zu bieten, hatte sie da vorgehabt, seine gefühlsmäßige Schwäche dazu zu benutzen, ihn in eine Falle zu locken? Vielleicht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher