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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens
Autoren: Tobias O. Meißner
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ausgeheilt zu sein. Wiederholt machte er Bewegungen, die seine bandagierte Leibesmitte schützen sollten, und das konnte Schartbart mit all seiner Erfahrung erkennen und sich zunutze machen. Nach dem achten Aufeinanderprallen der Klingen täuschte Broog ein Einsinken in den Knien vor, nutzte diese Abwärtsbewegung jedoch, um unter das Schwert des Gegners zu kommen und diesem einen harten Faustschlag auf die Bandagen zu verpassen. Kämpfe schmutzig , brachte er auch seinen Söldnern immer bei, denn wenn du bezahlt werden willst, musst du vor allem überleben. Dem Gegner blieb vor Schmerz die Luft weg, Broog sprang hoch und trümmerte dem Tätowierten von schräg oben den Schwertknauf über den Schädel. Broog wollte auch ihn nicht töten. In diesen eigenartigen Augenblicken begriff er den Bebilderten als ein lebendiges Kunstwerk. Der Tätowierte blickte ihn an, mit einer Art von Grinsen, die durchaus auch eine Grimasse des Schmerzes sein konnte. Broog schlug noch zweimal zu. Röchelnd brach das Kunstwerk in sich zusammen. »Seraikella!«, rief jemand. Da war noch ein weiterer Gegner, noch ein Mensch, und auch dieser war mit Bandagen umwickelt, stützte sich beim Gehen auf zwei Holzstangen und kam scharrend und tappend auf Broog zu, doch der Söldner hatte genug von diesem ganzen Wahnsinn. Die Königin hatte ihm nicht gesagt, dass er überhaupt gegen Menschen kämpfen musste bei diesem Auftrag, aber seit sie in den Wildbart gelangt waren, hatten sie es fast ausschließlich mit Menschen zu tun bekommen. Broog entging diesem Gegner, indem er in einen Nebengang eintauchte, in immer undurchdringlicher wirbelnden Rauch.
    Hinter ihm verebbte jeglicher Kampflärm. Ob seine Leute die Segel gestrichen hatten und in den Rückzug gegangen waren oder ob etwas anderes geschehen war – Broog konnte es nicht wissen. Er drang weiter vor, auf der Suche nach einem König, nach Magie oder einem wie auch immer gearteten Rätsel.
    Er fand alle drei.
    Gleichzeitig.
    Plötzlich konnte er nicht mehr weitergehen. Ein unsichtbares Netz hielt ihn fest, entwand ihm schlängelnd das Schwert, schnitt sogar einschmelzend durch das Schwarzwachs der Rüstung, fühlte sich aber auf seiner Haut eher kühl und klebrig an. Der Gang begann zu leuchten. Der Rauch drehte sich zu einer Spirale. Broog riss und zog und knurrte, doch das Gewebe wurde eher stärker, zog ihn vom Boden hoch, bis er mitten im Gang hing wie eine Fliege in einem Spinnennetz. Der Gang selbst schien sich zu verformen, ebenfalls zur Spirale zu werden. Das Innere einer Turmmuschel. Das Leuchten wurde stärker und kam aus noch mehr Richtungen. Zwei Riesen wuchsen aus dem Nebel. Beide trugen keine Rüstungen, sondern bodenlange Gewänder.
    Â»Du bist nun weit genug in den Riesen eingedrungen«, sagte der jüngere der beiden mit einer Stimme, die in Broogs Ohren widerhallte wie eine tiefe Glocke. »Was ist dein blutiges Begehr?«
    Broog antwortete. Er hatte das Gefühl, eine Antwort gar nicht verweigern zu können. Seine Stimme machte sich selbstständig und wurde dicht gefolgt von seinem Verstand. »Zu viel … Magie … Ihr habt … zu viel Magie … Die Königin … macht sich große Sorgen.«
    Â»Daran tut sie gut. Doch nicht, weil der Riese zu viel Magie sein eigen nennt, sondern weil er noch immer zu wenig besitzt.« Die Stimme des Riesen rumpelte durch den rotierenden Gang wie ein verlangsamter Erdrutsch. »Der Riese wird das Dunkel, das von Norden her durchs Land kommt auf Pfoten leise wie Samt, nicht mehr aufhalten können. Mit magischer Verhüllung wird er sich bergen, um nicht zu vergehen vor seinem ältesten Feind. Der Feind jedoch wird weiterziehen, unbehelligt, und aus der Krone der Königin sich launisch eine Beute reißen. Die Zeiten und Verträge Irinwehs sind nicht mehr. Der Riese steht euch nicht mehr bei. Doch der Riese hat sein Zepter wieder, und es ist ihm von Menschen überbracht worden. Deshalb gibt es ein neues Bündnis. Du selbst konntest bezeugen, dass Menschen für uns kämpfen. Um dieses Bündnisses willen wollen wir dich unbestraft sein lassen und zurückschicken zu deiner Königin, die nicht die unsere ist, mit einer Botschaft. Höre gut, Menschenkind, und hüte dich: Du kommst hierher und erschlägst unsere Brudersöhne und die wenigen kostbaren Menschen, welche unsere Freunde sind in dieser Welt der Jäger.
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