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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wütend. Für einen kurzen Moment glaubte Andrej,
etwas wie Respekt im Blick dieser unheimlichen, uralten Augen zu
erkennen, und für einen noch kürzeren Moment kam es ihm fast vor,
als lächelte er zufrieden.
Geht, sagte er einfach.
    Die Pferde hatten tatsächlich vor dem Eingang des Tales bereitgestanden, ganz, wie Seth es gesagt hatte. Es waren große, ausgesucht
kräftige Tiere, die nicht nur komplett gesattelt und aufgezäumt waren, sondern in deren Packtaschen sich auch genügend Wasser und
Vorräte fanden, um selbst den Rückweg quer durch die Wüste ohne
allzu großes Risiko angehen zu können. Und Seth hatte ihnen auch
noch ein weiteres Geschenk gemacht. Als Andrej die Packtaschen
einer flüchtigen Untersuchung unterzog, stieß er auf zwei mit schweren Goldmünzen gefüllte Lederbeutel, deren Vorhandensein ihn im
ersten Moment ärgerte, schien es ihm doch, als versuche ihn der Unsterbliche damit im Nachhinein zu einem gemeinen Grabräuber zu
degradieren und auf diese Weise zu verhöhnen. Erst danach fielen
ihm Seths Worte wieder ein: Geh zurück in deine Heimat, Andrej. Offensichtlich hatte sich Seth selbst um ihre Reisekasse gekümmert
und dafür gesorgt, dass sie gut genug gefüllt war, um ihnen den
Rückweg in Andrejs Heimat zu sichern. Flüchtig fragte er sich, ob in
diesem Geschenk vielleicht auch eine Warnung verborgen war, es
auch tatsächlich anzunehmen und in seinem Sinne zu verwenden.
Schweigend saßen sie auf und ritten los, doch Abu Dun hielt sein
Tier schon nach ein paar Schritten an und drehte sich wieder im Sattel um. Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht.
    »Was ist denn noch?«, fragte Andrej ungeduldig. Er wollte nur
noch weg, möglichst weit weg von diesem Ort, der zu viele schmerzhafte Erinnerungen barg.
    »Ich frage mich, was sie gesucht haben«, antwortete der Nubier.
»Es kann ihnen doch unmöglich um das Gold gegangen sein… oder?«
    Einen Moment lang sah Andrej ihn nur verständnislos an, dann erst
erinnerte er sich daran, dass Meruhe allein mit ihm gewesen war, als
sie ihm von Ramses erzählt hatte. Sie hatte ihm nicht verraten, was
genau sie getan hatte, um Ramses ein so langes Leben zu schenken,
aber er ahnte zumindest, dass das Geheimnis vielleicht noch immer
in seinem einbalsamierten Leichnam zu finden war; und dass diese
uralten Unsterblichen es niemals zulassen würden, dass dieses Geheimnis offenbart wurde.
    Trotzdem hob er zur Antwort nur die Schultern. Er wollte nicht
darüber sprechen. Jetzt nicht, und vielleicht niemals.
Abu Dun schien ihm die vorgegaukelte Unwissenheit nicht abzunehmen, aber er stellte auch keine weitere Frage mehr.
Stattdessen blickte er noch einmal in die Richtung zurück, in der
das verborgene Pharaonengrab lag, und erneut erschien ein nachdenklicher Ausdruck auf seinem Gesicht, der aber zugleich auch…
zufrieden wirkte.
»Ist dir der Name aufgefallen, mit dem Seth sie angesprochen
hat?«, fragte er plötzlich.
»Isis?« Andrej nickte. »Und? Wenn wir so lange gelebt hätten,
dann hätten wir vermutlich auch mehr als einen Namen gehabt.«
Abu Dun schüttelte den Kopf. »Sonst fällt dir nichts auf?« Wieder
sah er Andrej erwartungsvoll an, und als Andrej auch darauf nicht
reagierte, fuhr er enttäuscht fort: »Isis. Seth. Osiris. Horus… keiner
dieser Namen sagt dir etwas?«
Andrej tat ihm den Gefallen und kramte einen Moment lang angestrengt in seinem Gedächtnis. Ganz kurz glaubte er, sich erinnern zu
können, aber der Gedanke entglitt ihm wieder, bevor er ihn greifen
konnte. Er schüttelte den Kopf.
»Es sind die Namen der Gottheiten, die die alten Ägypter angebetet
haben«, antwortete Abu Dun und sah höchst vergnügt aus.
»Und?«, fragte Andrej. »Dann haben wir wohl gerade gegen leibhaftige Götter gekämpft.« Er hob die Schultern, dann runzelte er fragend die Stirn, als er das immer breiter werdende Grinsen sah, das
auf Abu Duns Gesicht erschien. »Und was ist daran so komisch?«
»Oh, nichts«, antwortete Abu Dun feixend. »Und sonst ist dir nichts
aufgefallen?«
»Nein, verdammt!«, fauchte Andrej. »Was?«
Abu Duns Grinsen wurde noch breiter. »Sie waren alle schwarz«,
sagte er.
ENDE DES ACHTEN BUCHES
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